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Richtet sie hin!

Historische Fälle | Andrea Maria Schenkel

E-Book (EPUB)
2024 Kampa Verlag
Auflage: 1. Auflage
176 Seiten
ISBN: 978-3-311-70487-4

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Kurztext / Annotation
Milliardärssohn Harry Kendall Thaw, der Harvard University verwiesen, nachdem er einen Taxifahrer mit einer Schrotflinte durch die Stadt gejagt hatte, war besessen von dem New Yorker Stararchitekten Stanford White. Seine Obsession führte so weit, dass er White 1906 auf der Dachterrasse des von ihm entworfenen Madison Square Garden aus nächster Nähe erschoss. Hans Schmidt, zeit seines Lebens Sonderling und Einzelgänger, ermordete im Herbst 1913 das Hausmädchen seiner Pfarrei in Harlem, zerstückelte ihre Leiche und versenkte sie im Hudson River. Später gab er an, von Gott den Befehl erhalten zu haben, Anna zu opfern. Schmidt ging in die Geschichte ein als einziger Pfarrer, der in den USA hingerichtet wurde. Carl Panzram ermordete nach eigenen Angaben über zwanzig Menschen, suchte immer nach den Schwachen, den Harmlosen, den Ahnungslosen, und wurde doch nur für ein Tötungsdelikt verurteilt. Bestsellerautorin und Kriminalreporterin Andrea Maria Schenkel hat historische Kriminalfälle gesammelt, recherchiert und aufgeschrieben. Schon 2006, lange vor dem True-Crime-Hype, wurde sie mit ihrem Debütroman Tannöd, der auf einem wahren, bis heute ungelösten Mordfall beruht, schlagartig berühmt. Heute lehrt sie im Rahmen ihres Promotionsstudiums am CUNY John Jay College of Criminal Justice der City University of New York. Was Schenkel am Verbrechen fasziniert, ist das Wesen des Bösen. Ist der Mensch per se böse - oder wird er dazu gemacht?

Andrea Maria Schenkel, geboren 1962, gilt als eine der renommiertesten Krimiautorinnen Deutschlands. 2006 erschien ihr Debüt Tannöd - ein Überraschungserfolg, mit dem sie großes Aufsehen erregte: Der Roman wurde mit dem Deutschen Krimipreis, dem Friedrich-Glauser-Preis und dem Martin Beck Award, dem schwedischen Krimipreis für den besten internationalen Kriminalroman, ausgezeichnet. Die Startauflage betrug 1000 Exemplare - der Roman verkaufte sich über eine Million Mal, wurde in zwanzig Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt. Für ihr zweites Buch Kalteis (2007) erhielt Schenkel zum zweiten Mal in Folge den Deutschen Krimipreis. Zuletzt erschienen Bunker (2009), Finsterau (2012), Täuscher (2013), Als die Liebe endlich war (2016), erstmals ein Roman jenseits des Krimigenres, sowie Der Erdspiegel (2023). Schenkel hat drei erwachsene Kinder und lebt in Regensburg und in Larchmont, einem Vorort von New York. Nach Abschluss ihres Masterstudiums ist sie derzeit Doktorandin am CUNY Graduate Center im Bereich Vergleichende Literaturwissenschaften. Im Rahmen ihrer Ausbildung unterrichtet sie am CUNY John Jay College of Criminal Justice der City University of New York. Andrea Maria Schenkel schreibt nicht nur Romane, sondern auch regelmäßig für ZEIT Verbrechen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Die Schwarze Hand

Am Dienstag, den 9. August 1904, betritt gegen 21 Uhr ein sichtlich aufgeregter Mann die Polizeistation in der Amity Street in Brooklyn. Sein Name ist Vincenzo Mannino. Mannino ist Bauunternehmer und lebt mit seiner Familie nur einen Steinwurf vom Revier entfernt. Er berichtet den Beamten, sein achtjähriger Sohn Antonio, genannt Toni, sei verschwunden. Wie alle Kinder des Viertels habe er draußen gespielt, am Abend sei er jedoch nicht zur vereinbarten Zeit nach Hause gekommen. Stattdessen sei kurz darauf ein Zettel mit einer Lösegeldforderung gefunden worden. 500 Dollar werden für die unversehrte Rückkehr des Kindes verlangt. Die Summe ist beachtlich, mehr als das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Büroangestellten zu dieser Zeit. Für die Manninos ist das Geld das geringere Problem. Was sie in Aufregung versetzt, ist der Umstand, dass die Lösegeldforderung von der Schwarzen Hand unterschrieben wurde.

Bereits seit dem 18. Jahrhundert treibt die Schwarze Hand im südlichen Italien ihr Unwesen. Fast immer wurde die Entführung wohlhabender Bürger in einem Erpresserbrief angekündigt, die Forderung mit einem bluttropfenden Dolch, einem von einem Messer durchstoßenen Herzen, einem Totenkopf oder einer schwarzen Hand unterschrieben. Manchmal genügten auch drei schwarze Kreuze, und der Adressat wusste, was er zu tun hatte: Wurde bezahlt, war der Fall erledigt, es gab keine Entführung und niemand kam zu Schaden. Viele arme Süditaliener sahen diese Zahlungen als ausgleichende Gerechtigkeit: Eine reiche Elite unterstützte mit diesem Obolus die Mittellosen und in Not Geratenen der Gemeinde. Beide Seiten wussten, wo die Grenze lag, und respektierten sie weitestgehend.

Im Jahr 1880 begann die große Auswanderungswelle. Insgesamt 13 Millionen Menschen verließen Italien bis 1914 und verstreuten sich über den ganzen Globus. Am Höhepunkt der Welle, zwischen 1900 und 1914, wanderten allein drei Millionen Italiener auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben in die USA aus. Fast alle stammten sie aus dem verarmten Süden.

Auch die Urgroßeltern meines Partners waren unter ihnen. Sie verließen San Sosti, ein kleines Dorf in Kalabrien. Anfang zwanzig und verheiratet, waren sie bereit, in den USA ein neues Leben zu beginnen. Bis zu ihrem Tod sprach die Urgroßmutter meines Partners nur Italienisch, es war, als hätte sie die alte Heimat nie verlassen. Auch sein Großvater, der 1905 in den USA geboren wurde, sprach die ersten sechs Jahre seines Lebens kein Wort Englisch. Er lernte es in der Schule, fand sich immer mehr zurecht und heiratete später Octavia, ein Mädchen mit irisch-schottischen Vorfahren - ein Skandal für die Familie. Durch die Audiokassetten, die er seinen Enkeln hinterließ, hörte ich von dem Leben der italienischen Auswanderer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch wenn der Großvater meines Partners in San Francisco und nicht in New York aufwuchs, sind die Bedingungen vergleichbar. In seinen Aufzeichnungen erzählte er auch von der Schwarzen Hand, die mit den Auswanderern in die neue Welt gelangte. Wie in der alten Heimat waren ihre Opfer zunächst ausschließlich italienischstämmige Immigranten, die es geschafft hatten, Fuß zu fassen und einen gewissen Wohlstand zu erlangen. Doch was in Italien funktioniert hatte, veränderte sich in den USA. Es genügte nicht mehr, eine Entführung anzukündigen, um die Opfer zur Zahlung zu bewegen. In den USA musste weit mehr Druck ausgeübt werden. Aus einer stillschweigenden gesellschaftlichen Übereinkunft wurde eine gewalttätige kriminelle Machenschaft.

Anders als die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra, hatte die Schwarze Hand keine hi