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Alles wird gutOverlay E-Book Reader

Alles wird gut

Zur Dialektik der Hoffnung (Philosophicum Lech 26) | Konrad Paul Liessmann

E-Book (EPUB)
2024 Paul Zsolnay Verlag
Auflage: 1. Auflage
256 Seiten
ISBN: 978-3-552-07411-8

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Kurztext / Annotation
Dürfen wir überhaupt noch hoffen? Darüber referieren Wissenschaftler beim 26. Philosophicum Lech.
Was dürfen wir hoffen? Immanuel Kants berühmte Frage müsste heute umformuliert werden: Dürfen wir überhaupt noch hoffen? Angesichts einer krisengeschüttelten Welt, in der sich Nachrichten über Klimakatastrophen, Kriege, zusammenbrechende Versorgungssysteme und Pandemien überbieten, scheint kein Platz mehr für jene Hoffnungen, die sich in optimistischen Erwartungen, lichtvollen Utopien und Visionen vom ewigen Frieden zeigten.
Alles wird gut. Ob dieser Satz seine Berechtigung hat oder ironisch verstanden werden muss - darüber referierten beim 26. Philosophicum Lech Vortragende aus Philosophie, Sozial- und Kulturwissenschaften und benachbarten Disziplinen.
Mit Beiträgen u.a. von Christine Abbt, Philipp Blom, Christian Dries, Karl Gaulhofer, Fred Luks, Catrin Misselhorn, Hartmut von Sass, Renée Schroeder, Peter Strasser, Francesca Vidal, Harald Welzer und Konrad Paul Liessmann.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Hartmut von Sass

Außer sich sein

Über Hoffnung und Ekstase

Hinführung

»Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Hoffnung ist die Kleinste unter ihnen.« Selbst diejenigen unter uns, die das Neue Testament kaum mehr in die Hand nehmen - was ein großer Fehler ist -, werden bemerken, dass hier etwas nicht stimmt. Hatte der viel gescholtene Apostel Paulus nicht davon gesprochen, dass die Liebe die größte der drei Tugenden sei? Ganz genau so ist es - aber das bestätigt ja gerade die winzige Umformulierung jenes berühmten Satzes aus dem Ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Von Glauben und vor allem Liebe (im Sinne der charitativen agape, nicht des leidenschaftlichen eros) ist allerorten und ausführlich die Rede; nicht nur bei Paulus, der einmal der Saulus gewesen war, sondern auch in der philosophischen Literatur. Die Hoffnung scheint jedoch eher ein marginalisierter Klassiker zu sein. Oder vielleicht eher eine klassische Marginalie?

In jedem Fall haben wir es hier mit einem überaus erstaunlichen Missverhältnis zu tun: Einerseits ist doch die Hoffnung eines der wesentlichen Kapitel unserer Existenz; andererseits hat dieses Thema kaum ein intellektuelles Interesse geweckt, das jener Prominenz und Relevanz auch nur von Ferne entsprechen würde.

Das ist einmal ganz anders gewesen. Man denke an den Boom der Hoffnungsliteratur vor allem der Nachkriegszeit. Die Titel jener Jahre mögen manchen immer noch geläufig sein: etwa Ernst Blochs monumentales, aber auch ornamentales Prinzip Hoffnung; oder die davon stark beeinflusste Theologie der Hoffnung von Jürgen Moltmann - das vielleicht weltweit bestverkaufte Buch des gesamten Faches im 20. Jahrhundert; oder das all dem vorangehende Plädoyer für eine »absolute« Hoffnung im Hauptwerk des französischen Existentialisten Gabriel Marcel, Homo Viator. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen.

Doch schnell nahm jenes wohl überaus zeitbedingte Interesse ab - ein Interesse, das ja gerade der katastrophischen Phase unserer Geschichte folgte. Die Gründe dafür sind vielfältig; historische: Es mag in den 1960er Jahren vielleicht eher ums Machen, nicht mehr ums Hoffen gegangen sein; politische: Die Konsolidierung der Verhältnisse ist nun einmal kein gutes Pflaster für die Hoffnung und ihr kritisches Engagement; sozial-gesellschaftliche: Das Versprechen des kollektiven Aufstiegs dominierte und eben nicht die Hoffnungen, die stets mit der drohenden Nicht-Erfüllung konfrontieren; aber auch intellektuelle, mithin philosophische: Die Spanne der Aufmerksamkeit ist bemessen, und schnell gelangten andere Themen - vor allem sprachphilosophische - auf die Tagesordnung, um die alte Agenda abzulösen: linguistic turn statt Vermessung der zukünftigen Welt.

Hatte noch im 19. Jahrhundert der Historismus die mitteleuropäische Szene dominiert - keine Zukunft ohne Vergewisserung der eigenen Vergangenheit und Tradition -, wird es für kurze Zeit die Zukunftsfrage, die die Gemüter erhitzte; nicht nur politisch, sondern auch technisch: von der Futurologie bis zur Einsicht, dass die Menschheit an einen Punkt gelangt ist, an dem erstmals die atomare Selbstvernichtung die Frage nach der Zukunft und der Hoffnung auf sie obsolet werden lässt. Der für einen Blockbuster erstaunlich subtile Film Oppenheimer von Christopher Nolan erinnerte diesen Kino-Sommer (2023) nochmals an das Dilemmatische jener neuen Potenzen absoluter Zerstörung.

Die Hoffnung hatte also nicht mehr an die alte Prominenz anknüpfen können. Nach der Vergangenheitsbewältigung des Historismus und der Zukunftsorientierung zwischen Chance und Farce rückten abgeklärtere, weitaus nüchternere Haltungen an ihre Stelle. Paradigmatisch dafür ist der politische Pragmatismus der letzten Jahrzehnte, für