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Kafka

Um sein Leben schreiben | Rüdiger Safranski

E-Book (EPUB)
2024 Carl Hanser Verlag München
Auflage: 1. Auflage
240 Seiten
ISBN: 978-3-446-28034-2

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Kurztext / Annotation
Zum 100. Todestag: Rüdiger Safranski über Franz Kafka - Jahrhundertfigur der Weltliteratur
'Ich habe kein litterarisches Interesse, sondern bestehe aus Litteratur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein', schrieb Franz Kafka an seine Verlobte Felice Bauer. Das Schreiben war seine Existenz, die ihm mehr bedeutete als ein vollendetes Werk. Rüdiger Safranski beobachtet Franz Kafka beim Schreiben, um den Geheimnissen seiner Texte näher zu kommen. In dessen Briefen liest er von den Augenblicken des Glücks, die Kafka am Schreibtisch erlebt, und von Momenten, in denen ihm die Welt vollkommen fremd erscheint. Versteht man Kafkas Bücher als Zeugnisse solcher Grenzerfahrungen, entfalten ihre Geheimnisse eine ganz unmittelbare Kraft. Eine solche Lektüre führt ins Zentrum eines Werks, das zu den Höhepunkten der Weltliteratur zählt.

Rüdiger Safranski, geboren 1945, studierte Philosophie, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Wissenschaftlicher Assistent, Herausgeber und Redakteur der Berliner Hefte, Dozent in der Erwachsenenbildung, seit 1986 freier Autor. Für sein in zahlreiche Sprachen übersetztes Werk wurde er u.a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2014), mit dem Ludwig-Börne-Preis (2017) und dem Deutschen Nationalpreis (2018) ausgezeichnet. Zuletzt erschienen: Hölderlin. Komm! ins Offene, Freund! Biographie (2019), Klassiker! (2019, mit Michael Krüger und Martin Meyer), Einzeln sein (2021) und Kafka. Um sein Leben schreiben (2024). Rüdiger Safranski lebt in Badenweiler.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Erstes Kapitel

'Ich bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes'. Das Tao vom Laurenziberg. Erste Versuche. »Beschreibung eines Kampfes« Schwindelgefühle und Junggesellentum. »Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande«

Am 14. August 1913 schreibt Franz Kafka an seine Verlobte Felice Bauer: Ich habe kein litterarisches Interesse sondern bestehe aus Litteratur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein. Damit will er Felice warnen: Schreiben ist für ihn keine schöne Nebensache, kein Ausgleich für die Belastungen im Berufsgeschäft. Er interessiert sich nicht für Literatur, er ist Literatur, ganz und gar. Felice soll das endlich begreifen, andernfalls hält sie sich an jemandem fest, den es gar nicht gibt. Denn auch für sich selbst existiert er nur in seinem Schreiben, der Rest ist ein Leichnam. Er erzählt ihr als Gleichnis für seine Verbindung mit der Literatur die Geschichte einer Teufelsaustreibung: Ein Kleriker hatte eine so schöne süße Stimme daß sie zu hören die größte Lust gewährte. Als ein Geistlicher diese Lieblichkeit eines Tages auch gehört hatte, sagte er: das ist nicht die Stimme eines Menschen, sondern des Teufels. In Gegenwart aller Bewunderer beschwor er den Dämon, der auch ausfuhr, worauf der Leichnam ... zusammensank und stank.

Was er Felice gegenüber nicht so deutlich ausspricht, dafür aber im Tagebuch notiert, ist die schlichte Feststellung, dass er einem Leben jenseits der Literatur keinen Reiz abgewinnen kann, dass ihn alles anödet, was nicht mit dem Schreiben zu tun hat. Alles was sich nicht auf Litteratur bezieht, hasse ich, es langweilt mich Gespräche zu führen ... Besuche zu machen, Leiden und Freuden meiner Verwandten langweilen mich in die Seele hinein. Gespräche nehmen allem was ich denke die Wichtigkeit, den Ernst, die Wahrheit.

Eine andere Tagebucheintragung lautet: Der Sinn für die Darstellung meines traumhaften innern Lebens hat alles andere ins Nebensächliche gerückt und es ist in einer schrecklichen Weise verkümmert und hört nicht auf zu verkümmern. Nichts anderes kann mich jemals zufriedenstellen.

Es ist nicht das Traumleben allein, wodurch alles andere nebensächlich wird, sondern es ist die Lust an der Darstellung, die einen solchen Sog auf ihn ausübt. Die Lust des Schreibens also zieht ihn von der sonstigen Wirklichkeit ab, gibt dem Traumleben eine Form und führt es dadurch in das gewöhnliche Leben ein. So kann im Gewöhnlichen das Unheimliche aufscheinen. Dieser ganze Vorgang aber ist in sich selbst sehr fragil. Nun ist aber meine Kraft für jene Darstellung ganz unberechenbar ... So schwanke ich also, fliege unaufhörlich zur Spitze des Berges, kann mich aber kaum einen Augenblick oben erhalten.

In diesen Augenblicken des Gelingens ist er ein anderer als sonst: furchtlos, bloßgestellt, mächtig, überraschend, ergriffen. So kennt man ihn nicht. Wie Antäus zum Riesen wird, wenn er den Boden berührt, so strömt Kafka Lebenskraft zu, wenn er schreibt. Er erklärt Felice, dass er nur darum den Mut hatte, um sie zu werben, weil er sich stark fühlte, da ihm gerade das Schreiben gelang. Das Schreiben, und nur das Schreiben, entband bei ihm Kräfte, von denen er sich sonst abgeschnitten fühlte. Und deshalb konnte er aus der gelungenen Verbindung mit dem Schreiben heraus auch entschiedener und kraftvoller auftreten. Dazu passt auch, dass Kafka äußerst lebendig seine eigenen Texte, aber auch die von anderen vortragen konnte und das auch sehr gerne tat. Der sonst eher scheue Mensch kam hier ganz aus sich heraus oder genauer: war vollkommen in dem enthalten, was er vortrug, und brachte es zur vollkommenen Entfaltung. Wer solche Vortragszenen Kafkas erlebt hat, konnte sie nicht mehr vergessen. Schreibend und vortragend war Kafka ein Verwandelter.

Eine Quelle des Schreibens ist eben auch die Lust an d