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Revolution aus dem MikrokosmosOverlay E-Book Reader

Revolution aus dem Mikrokosmos

Martin Reich

E-Book (EPUB)
2024 Residenz Verlag
320 Seiten
ISBN: 978-3-7017-4720-7

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Kurztext / Annotation
Der Biologe Martin Reich führt durch die neue Welt der Fermentationslabore und ihrer Möglichkeiten. Braukessel statt Bauernhof? Damit könnten wir den katastrophalen Einfluss unserer Ernährung auf Umwelt und Klima drastisch reduzieren. Durch Fortschritte in der Biotechnologie erfährt die jahrtausendealte Tradition der Fermentation eine Renaissance. Pionier*innen wollen mit Bioreaktoren echten Käse ohne Kuh, echtes Ei ohne Huhn und vieles mehr auf unsere Teller bringen. Viel mehr Nahrung auf viel weniger Nutzfläche, so die Vision. Wie funktioniert die Herstellung dieser neuen Produkte? Was bedeuten sie für uns und was wird aus der Landwirtschaft? Sind wir überhaupt bereit für eine Revolution durch Fermentation? Um Antworten zu finden, hat sich Martin Reich auf eine Reise gemacht durch Labore, Brauereien und die Gedankenwelt von Forscher*innen, Kritiker*innen und Träumer*innen.

Martin Reich, geboren 1984, war Referent beim Bioökonomierat, lebt und arbeitet als Biologe in Berlin und ist als Redakteur und Kommunikator im Bereich Naturwissenschaften und Bioökonomie tätig. Zuletzt erschienen 'Revolution aus dem Mikrokosmos' (2024).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Teil 1:
Mikroskopische Lösungen für globale Herausforderungen
Vom Labor in die Küche

Als Biologiestudent und später als Doktorand habe ich viele Jahre lang Experimente in den Laboren einer Universität durchgeführt. Die Pflanzen, die ich für meine Versuche brauchte, zog ich in einem speziellen Gewächshaus an, setzte sie in sogenannten Klimakammern unterschiedlichen, simulierten Umweltbedingungen aus und erntete sie schließlich. Um zu untersuchen, wie sich unterschiedliche Temperaturen, der Gehalt an Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Luft oder die Art und Menge der Nährstoffe im Bereich der Wurzeln auf Wachstum und Stoffwechsel der Pflanzen auswirken, habe ich viele Hunderte von ihnen zerschnitten, getrocknet, gemahlen, eingefroren, erhitzt und in Säure aufgelöst. Und das immer nach einem ganz bestimmten Rezept, das Versuchsaufbau, Dauer des Wachstums und der Behandlungen und die Mengen und Konzentrationen von Chemikalien vorgab. Und das ich streng befolgt habe, um die gewonnen Daten vergleichbar, meine Versuche wiederholbar und für andere überprüfbar zu gestalten.

Für viele Menschen sind ein Labor und eine Küche grundlegend verschiedene, wenn nicht sogar gegensätzliche Welten. Während in Laboren reine Ratio herrscht und Menschen in weißen Kitteln und mit ernstem Blick unnatürliche Dinge tun, sind in der Küche Genuss, Intuition und Natürlichkeit die Maximen. Doch eigentlich sind sich die beiden Orte auch sehr ähnlich. Zwar ist wissenschaftliche Methodik akribisch und emotionslos, doch sie verfolgt häufig sehr idealistische Ziele. Und auch in der Küche geht man nach einem bestimmten Rezept vor, zerlegt Zutaten, setzt sie Hitze, Kälte, Säuren und anderen Behandlungen aus, um zu einem erwünschten Ergebnis zu kommen. Statt dann aber mit modernen Geräten Messungen durchzuführen, nutzen wir unsere mindestens ebenso feinen und komplexen Sinne für die Auswertung unserer Experimente.

Seit bald sieben Jahren bin ich nun nicht mehr aktiv in der Forschung tätig. Ich habe die Pipette gegen die Feder eingetauscht - na gut, gegen die Tastatur - und erst vor einiger Zeit wurde mir wirklich bewusst, dass womöglich ein Zusammenhang zwischen meiner Leidenschaft für das Kochen und jener für die Laborarbeit besteht. Nachdem ich weiße Kittel und lange Nächte über noch längeren Tabellen hinter mir gelassen hatte, wurde tatsächlich auch meine Leidenschaft für die Küche noch ausgeprägter, wie um die entstandene Lücke zu füllen. Und da meine Familie und ich inzwischen das Glück haben, einen Garten zu besitzen, kann ich sogar wieder Pflanzen großziehen, pflegen und sie gelegentlich meinen Experimenten in der Küche opfern.

Die Verbindung zwischen Labor und Küche ist für mich also eine sehr persönliche. Doch auch ganz objektiv betrachtet, hat die Herstellung unserer Lebensmittel heutzutage viel mit Laboren zu tun, oder zumindest mit einer Verarbeitung unter sehr kontrollierten Bedingungen, die dem Geschehen in einem Labor ähnlicher sind als jenen in einer gewöhnlichen Küche. Einen Großteil unserer Lebensmittel essen wir nicht so, wie sie vom Feld, aus dem Gewächshaus, dem Stall oder dem Meer kommen. Vieles, wenn nicht das meiste, wird in irgendeiner Form verarbeitet: erhitzt, zerkleinert, gefiltert, erhöhtem Druck ausgesetzt, voneinander getrennt und mit anderen Stoffen angereichert. Immer öfter stehen verarbeitete oder sogar sogenannte hochverarbeitete Lebensmittel im Fokus und in der Kritik. Wie sehr kann man ein Lebensmittel verarbeiten, ohne dass man infrage stellen muss, ob es diese Bezeichnung überhaupt noch verdient? Oder ist ein Lebensmittel als solches vor allem über seinen Nährwert definiert, unabhängig davon, wie viele Verarbeitungsschritte es durchlaufen hat und wie ähnlich es noch etwas ist, das man in der Natur vorfindet?

Die fortschreiten