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Vulkanherzsommer

Ein Roman über die Suche nach sich selbst und das Ankommen | Eva Floris

E-Book (EPUB)
2024 S. Fischer Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
352 Seiten
ISBN: 978-3-10-491692-7

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€ 9,99

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Kurztext / Annotation
»Beim Anblick des Vulkans bin ich froh, meine Wanderstiefel eingepackt zu haben. Seine Anziehungskraft ist stärker als die Furcht vor sentimentalen Erinnerungen.« Nach fast zwei Jahrzehnten kehrt Lena nach Sizilien zurück. Ihr Vater, mit dem sie fast genauso lange kein Wort mehr gesprochen hat, ist gestorben. Das Einzige, was sie verbunden hat, ist die Liebe zu Vulkanen. Als Kind hat sie ihn oft auf seinen Forschungsreisen zu diesen Naturwundern begleitet. Lena will die Insel nach der Beerdigung sofort wieder verlassen, doch ihre Halbschwester Anna bittet sie, zu bleiben. Sie möchte Lena besser kennenlernen. Für Lena wird es eine Reise in die Vergangenheit, die schmerzhafte Erinnerungen wachruft. Aber vielleicht ist es an der Zeit, neue Erfahrungen zu sammeln und sich mit der Vergangenheit auszusöhnen?

Eva Floris schloss nach einem kurzen Ausflug in die Mineralogie doch lieber ein Romanistik-Studium ab. Die Faszination für naturkundliche Phänomene blieb - auch während der Jahre danach, in denen sie als Journalistin arbeitete. Wenn sie von ihren Reisen in ihren Heimathafen Hamburg zurückkehrt, sind ihre Taschen auch heute noch voller Steine. Dankenswerterweise teilen ihr Mann und ihr Sohn die Liebe zu ausgedehnten Wanderungen in der Natur und helfen manchmal sogar beim Tragen der Fundstücke.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Was mache ich hier?

Als im Flugzeug die Anschnallzeichen aufblinken, stelle ich mir einen unsinnigen Moment lang vor, aufzuspringen und gegen die Türen zu hämmern. Bloß müsste ich mich dafür an dem Mann neben mir vorbeizwängen, und der scheint nicht zu den Menschen zu gehören, die anderen gerne Platz machen. Sein Ellbogen ragt weit über unsere gemeinsame Armlehne hinaus, genauso wie seine großformatige Zeitung. Eine direkte Berührung mit ihm zu vermeiden, gelingt mir nur, weil ich mich dicht ans Fenster quetsche. Schicksalsergeben greife ich nach den beiden Teilen des Gurts. Klick. Zu spät. Ich schließe die Augen und versuche, an gar nichts zu denken. Dabei pocht hinter meinen Schläfen fortwährend die Frage weiter: Lena, was machst du hier?

Bis vor ein paar Tagen hätte ich es als unmöglich abgetan, dass ich jemals nach Sizilien zurückkehren würde. Als Kind habe ich fünf Jahre dort gelebt. Aber mittlerweile ist es gut 20 Jahre her, dass meine Eltern und ich die Insel hinter uns gelassen haben. Ich war mir sicher, es würde für immer sein. Es ging nicht anders, und doch tat es weh. Unsere Zeit dort hatte sich bereits tief in meine DNA eingegraben. Wenn mir der Duft von Zitronen in die Nase steigt, beginnt mein Körper sehnsüchtig zu vibrieren. Betrachte ich das Bild eines Vulkans, steigt mir unweigerlich der Geruch von Schwefel in die Nase, und ich befinde mich inmitten der dunklen Kraterlandschaften des Ätna. Jedes Gläserklirren ruft in mir die Erinnerung an lange Abende auf der Piazza wach, an das offenherzige Lächeln, mit dem wir Kinder überall empfangen wurden. Ich hielt den aufgeregten Singsang der trällernden Doppelkonsonanten des Italienischen für die Melodie meines Lebens, weswegen ich die Sprache später studiert habe.

Während meiner Ausbildung verbrachte ich ein Jahr in Rom und fünf weitere Monate in Siena. Diese Orte waren nicht wie Sizilien, deshalb konnte ich dort meiner Sehnsucht vielleicht nicht ganz, aber immerhin ohne Gefahr nachgeben.

Nur die vom vielen Lesen abgegriffenen Bände über Vulkane habe ich nie wieder angerührt. Ich überließ sie dem feuchten Keller meiner Mutter, wo sie mittlerweile verwittert sein dürften. Sie sind für mich untrennbar mit dem Mann verbunden, der noch vor uns anderen feststellte, dass es nicht ausreichte, Sizilien zu verlassen. Er ließ deshalb auch seine Frau und seine Tochter hinter sich. Für ihn war das offenbar die wirkungsvollere Variante. Wie sonst wäre es zu erklären, dass er kurz darauf nach Sizilien zurückkehren konnte? Vielleicht wäre ich ja eines Tages so weit gewesen, ihn danach zu fragen. Aber nun ist er tot, mein Vater.

Während des Landeanflugs erblicke ich den vertrauten Gipfel des Vulkans. Die Sizilianer nennen ihn so gut wie nie bei seinem richtigen Namen, fast, als fürchteten sie, damit die unberechenbare Feuergöttin zu beschwören. Sie sind einfallsreich darin, andere Bezeichnungen für den Ätna zu finden, wie etwa la mamma - eine strenge Mutter, wie aus alten Mythologien, die ihre Kinder üppig ernährt und brutal züchtigt. Sogar jetzt, mitten im Mai, ist der Gipfel von einer dichten Schneedecke überzogen.

 

Der Abstand zwischen ihm und mir verringert sich. Mit einem Mal kommt mir die Hülle, die mich von der Außenwelt trennt, so dünn vor, dass mir schwindelig wird. Obwohl ich bis zu diesem Tag nie unter Flugangst gelitten habe, krallen sich jetzt meine Finger in meinen Gurt, so sehr fürchte ich mich davor zu fallen. Ich würde inmitten der bizarr geformten Felsen aus erstarrter Lava aufprallen.

Die Stimme des Piloten katapultiert mich in die Realität zurück. Er garantiert uns in drei Sprachen herrliche Temperaturen und einen wolkenlosen Himmel.

Beim Aussteigen zeigt sich, dass er nicht zu viel versprochen hat. Sofort umwabern mich ein Schwall warmer Luft sowie ein vage v