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Regeln

Eine kurze Geschichte | Über die Regeln unseres Lebens | Lorraine Daston

E-Book (EPUB)
2023 Suhrkamp
Auflage: 1. Auflage
432 Seiten
ISBN: 978-3-518-77785-5

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Kurztext / Annotation

Regeln ordnen fast jeden Aspekt unseres Lebens. Sie legen unsere Arbeitszeiten fest, bestimmen unser Verhalten im Straßenverkehr und ob es angebracht ist, zur Begrüßung die Hand zu geben oder die Wange hinzuhalten. Regeln organisieren die Riten des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Nicht alle Regeln, die wir haben, mögen uns gefallen, und manche, die uns abgehen, sehnen wir herbei. Doch keine Kultur kann ohne sie auskommen.

In ihrem reich bebilderten Buch zeichnet die Historikerin Lorraine Daston nach, wie sich Regeln in der westlichen Tradition seit der Antike entwickelt haben. Sie dokumentiert deren verwirrende Vielfalt anhand einer Fülle von Beispielen - von juristischen Traktaten über Militärhandbücher bis hin zu Kochrezepten -, entdeckt aber auch, dass es nur wenige Grundarten gibt, die über die Zeiten Bestand hatten: Algorithmen, Gesetze und Modelle. Und sie zeigt, wann Regeln funktionieren, wie sie sich verändern können und warum einige philosophische Fragen zu Regeln so alt sind wie die Philosophie selbst, andere hingegen so modern wie Rechenmaschinen. Ein souverän geschriebenes, fesselndes Buch über die Zwänge, die uns leiten - ob wir es wissen oder nicht.



Lorraine Daston, geboren 1951, war bis zu ihrer Emeritierung 2019 Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

111
Einleitung
Die verborgene Geschichte der Regeln
Hinweise auf eine verborgene Geschichte

Dies ist ein kurzes Buch über ein umfangreiches Thema. Wir alle sind ständig und überall eingebunden in ein Netz aus Regeln, das uns Hilfestellung bietet und Beschränkungen aufbürdet. Regeln legen Anfang und Ende des Arbeitstags und des Schuljahrs fest, lenken das Auf und Ab der Verkehrsströme auf den Straßen, bestimmen, wer wen und in welcher Weise heiraten darf, weisen der Gabel den Platz rechts oder links des Tellers zu, bewerten die Tore und Fouls beim Fußball, zähmen die Debatten in Meetings und Parlamentssitzungen, geben an, was man im Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen kann, verfügen, wer wo wählen darf, gliedern die Grammatik eines Satzes, leiten Kunden im Supermarkt in die richtige Warteschlange, sagen Hundebesitzern, ob ihre Hunde willkommen sind oder nicht, explizieren Metrum und Rhythmus eines Petrarca-Sonetts und ordnen an, welche Rituale bei Geburt und Tod zu vollziehen sind. Und das sind nur einige Beispiele expliziter Regeln, wie wir sie auf Schildern und in Gebrauchsanleitungen, Handbüchern, heiligen Schriften und Gesetzestexten finden. Berücksichtigen wir dazu noch die impliziten Regeln, erweist sich das Netz als derart dicht gewebt, dass kaum eine menschliche Aktivität durch die Maschen schlüpft: Es gibt ungeschriebene Regeln, die bestimmen, ob die Menschen einander mit Handschlag oder zwei Wangenküssen à la française (oder nur einem à la belge) begrüßen, wie viele Stundenkilometer über einer Geschwindigkeitsbegrenzung toleriert werden, bevor ein Strafzettel fällig wird, welches Trinkgeld in einem Restaurant als angemessen gilt, wann es erlaubt oder angebracht ist, in einem Ge12spräch die Stimme zu heben (oder zu senken), wer wem die Tür aufhalten sollte, wie oft und wie laut eine Opernaufführung durch Beifallsbekundungen oder Buhrufe unterbrochen werden darf, wann man zu einem Abendessen zu erscheinen und wann wieder zu gehen hat, und wie lang ein Epos sein muss. Kulturen unterscheiden sich hinsichtlich der Inhalte ihrer Regeln, doch keine Kultur kommt ohne Regeln aus - und zwar ohne sehr viele Regeln. Ein Buch über all diese Regeln wäre fast schon eine Geschichte der Menschheit.

Regeln sind so allgegenwärtig, unverzichtbar und achtunggebietend, dass sie als selbstverständlich gelten. Wie sollte es jemals eine Gesellschaft ohne Regeln, eine Zeit vor den Regeln gegeben haben? Aus der Universalität der Regeln folgt indessen nicht deren Gleichförmigkeit, weder im Vergleich zwischen Kulturen noch innerhalb geschichtlicher Traditionen. Regeln zeigen nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form eine schwindelerregende Vielfalt. Die Inhalte waren von jeher Mahlgut für die Mühlen von Reisenden und Ethnographen, seit Herodot (um 484-um 425 v. Chr.) aus altgriechischer Perspektive berichtete, in Ägypten sei alles genau umgekehrt (wenn auch nicht weniger regelmäßig): Die Männer blieben zu Hause und webten, während die Frauen auf den Markt gingen; die Frauen urinierten im Stehen, die Männer dagegen im Sitzen; selbst der Nil fließe andersherum, von Süden nach Norden.1 Die Formen gehören zur langen Liste der Arten, aus denen die Gattung der Regeln besteht: Gesetzen, Maximen, Prinzipien, Leitlinien, Instruktionen, Rezepten, Vorschriften, Aphorismen, Normen und Algorithmen, um hier nur einige zu nennen. Die Vielfalt dieser Arten von Regeln bringt uns auf die Spur einer verborgenen Geschichte dessen, was eine Regel ist und tut.

Seit der griechisch-römischen Antike umschreiben drei semantische Hauptgruppen die Bedeutung von Regeln (siehe Kapitel 2): Werkzeuge zur Messung und Berechnung; Vorbilder beziehungsweise Modelle oder Paradigmen; und Gesetze. Die nachfolgende Geschichte der Regeln ist eine der Vermehrung und Verknüpfung, die immer mehr Ar