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Die VerblendetenOverlay E-Book Reader

Die Verblendeten

Franz Winter

E-Book (EPUB)
2019 Braumüller Verlag
Auflage: 1. Auflage
384 Seiten
ISBN: 978-3-99200-229-0

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Kurztext / Annotation
Epochaler Roman über den Weg einer Gesellschaft durch die Wirren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

'Die Verblendeten' spannen sich vom Ende des Ersten Weltkriegs über die brodelnden 1920er- und 1930er-Jahre, über die Zeit des NS-Regimes bis in die 1950er-Jahre. Es sind die Familiengeschichten ehemaliger Aristokraten, die sich in den Zeitwirren verfangen und deren Schicksale untrennbar mit den Schicksalen jener verbunden sind, die einmal deren Diener, Köchinnen, Krankenschwestern oder Soldaten waren. Besitzverlust, Enteignungen, Kriegsverwundungen, Traumatisierungen, Elend und Hungersnot weisen deren Weg fast zwanghaft in Nationalsozialismus, Krieg, Nachkriegszeit und Wiederaufbau.

Franz Winter war als Schauspieler in Berlin, Wien, Salzburg und im deutschen und österreichischen Fernsehen tätig. Er ist Regisseur internationaler
Musikproduktionen, Autor von Novellen und Drehbüchern, Mitbegründer des Musik labels Winter & Winter und künstlerischer Leiter für Aufnahmen von Bach bis Mahler. Bei Braumüller erschienen: Operation Rheingold (2011), Orfanelle (2012), Palazzo Vendramin (2013), Bach (2014), Sommerfrische (2015), Die Schwierigen (2017).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1920

SEPTEMBER

"Karl Adam Ferdinand Josef Franz Amadeus Gustav", Hans Karl reihte fast buchstabierend die Namen aneinander und fächelte sich dann Luft mit der handgeschriebenen Einladungskarte zu, obwohl das Wetter an diesem verregneten Wiener Septembertag durchaus nicht als heiß oder auch nur als übermäßig warm zu bezeichnen war.

"Sag bitte, wär dir das jetzt noch commod, in die schon kühle Piaristenkirchn auf eine Tauf zu gehn?"

"Ja, zu der von dem Buben von der Toinette und dem Ado schon."

"Du weißt?"

"Aber ja doch, die Crescence hat mir schon vorige Wochn von dem großen Ereignis berichtet, und der Stani is auch eingladn."

"Ja, der Stani is auch eingladn, natürlich ... Ein Bub is es ..."

"Ja, wie sich unschwer aus den Namen schließen lasst", erwiderte Helene lächelnd, stellte sich neben ihren Mann in die Fensterspalierung und sah auf den in einem plötzlichen Lichtband aufglänzenden, fast menschenleeren Platz Am Hof.

"Und dass mich der Ado als Taufpaten für den Buben haben will, weißt du auch?"

"Ja, das hab ich mir so gedacht, nach euern Erlebnissen im Krieg und was der Ado da alles für dich getan hat. Ihm und seinen Pionieren verdanken wir immerhin dein Leben!"

Er drehte sich zu ihr, legte seine rechte Hand behutsam auf ihren Nacken und küsste zart, fast ohne sie mit seinen Lippen zu berühren, ihre Stirn.

"Aber das muss er dir doch schon früher angetragen haben", flüsterte Helene fast tonlos, "das Kind ist ja schon seit dem Juli auf der Welt - so steht's jedenfalls auf dem Billet."

"Ja, im Club, oder dem, was davon noch übrig ist."

"Und du hast hoffentlich angenommen, trotz deiner Menschenscheu."

"Was hätt ich sonst tun sollen?"

"Was hättst du sonst tun dürfen!"

"Und noch dazu ein Bub ..."

Helene löste sich. Jetzt schauten beide auf die über dem pfeildurchbohrten Drachen zu ihren Füßen himmelwärts tanzende, sterngekrönte schwarze Madonna über dem Platz.

"Und das unsrige? - Was glaubst du?"

"Wird ein hoffentlich gesundes Kind, an dem ich vielleicht nicht sterben muss, wie meine Mutter damals vor sechsundzwanzig Jahren in Prag, was ich mir sehr erbitt von -, worum ich halt manchmal, ganz im Geheimen, alle guten Mächte und Kräfte bitt. Und was es wird, Kari, Bub oder Mädel, das gilt mir völlig gleich. - Ein Mäderl wär mir fast lieber, weil ich ja auch als ein solches auf die Welt gekommen bin, und einem solchen Mädel dann vielleicht zeigen könnt, wie sich das anfühlt, wenn man eine Mutter hat."

"Wie du das sagst ..."

"Ja, und wenn's anders gwesen wär, wärn wir doch auch jetzt nicht beieinander."

"Karl Adam, widersagst du dem Satan?"

"Ich widersage."

"Und all seinen Werken?"

"Ich widersage."

"Und all seiner Hoffahrt?"

"Ich widersage."

Es war wie in einem Traum, den Buben von Ado Hechingen in seinem weißen Taufkleid auf dem alten, dünnen, spitzenbesetzten Kissen im Arm, dieses unendlich zarte Menschenkind, in dessen Gesicht schon jetzt die Schönheit seiner Mutter zu erkennen war, die Schönheit von Toinette, seiner einstigen Geliebten, die nur noch vollkommener geworden war seit damals in der Grünleiten vor vier Jahren, neunzehnhundertsechzehn war das, mitten im Krieg, als sie voneinander Abschied nehmen mussten, weil er einen Stellungsbefehl für die Isonzohölle hatte. Und über ihm löste sich die Himmelfahrtsmadonna von Maulbertsch in nichts als von göttlichem Licht durchschienene Farben auf. Blau, Blau, Himmelsblau, zergehende Morgen