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Cherubino

Roman | Andrea Grill

E-Book (EPUB)
2019 Paul Zsolnay Verlag
320 Seiten
ISBN: 978-3-552-05964-1

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Kurztext / Annotation
Eine starke Frau, zwei Männer, eine Schwangerschaft und die große Oper - in ihrem neuen Roman erzählt Andrea Grill eindringlich von einer Sängerin zwischen Kind und Kunst.
Die 39-jährige Sängerin Iris Schiffer ist zielstrebig, selbstbewusst und auf gutem Karriereweg. Demnächst gibt sie als Cherubino in Mozarts Oper 'Hochzeit des Figaro' ihr Debüt an der Met, und unverhofft wird ihr eine Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen angeboten. Aber die schönste Nachricht ist ihre Schwangerschaft, von der Iris zunächst weder den beiden in Frage kommenden Vätern noch ihrer Agentin etwas verrät, zumal die Premiere in Salzburg und der Tag der Geburt nah beieinander liegen. Andrea Grill erzählt von einer souverän handelnden Frau, die erst allmählich bereit ist, ihre Schwangerschaft anzunehmen. Von den Männern nimmt sie, was sie braucht. Denn das, was zählt, sind sie und ihr Kind.

Andrea Grill, 1975 in Bad Ischl geboren, studierte u. a. in Salzburg und Thessaloniki und promovierte an der Universität Amsterdam in Biologie. Sie wurde u. a. mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis (2011) und dem Förderpreis für Literatur der Stadt Wien (2013) ausgezeichnet. Andrea Grill lebt in Wien und unterrichtet an der Universität Bern. Zuletzt erschienen bei Zsolnay die Romane Das Paradies des Doktor Caspari (2015) und Cherubino (2019).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

0 (75 cm)

Sie sah wieder aus dem Fenster. Grün, unerwartet grün, auch hier. Grashalme spiegelten sich in den Fliesen der Fensterbank, und da, auf den lanzettförmigen Silhouetten, lag der Stab. Er würde zeigen, ob sie recht hatte. Zwölf, dreizehn. Der Wind bewegte das Gras, im Testfenster tauchte ein Strich auf. Jemand klopfte an die Tür. Sie zählte weiter. Noch ein Klopfen. Moment! Sie vergaß zu zählen. Bin gleich so weit! Die Konditorei, deren Toilette sie benutzte, war doch leer gewesen? Zwanzig, einundzwanzig. Die Türklinke bewegte sich. Hatte sie richtig gezählt oder Zahlen übersprungen? Sie lehnte sich an die Wand: kalte Keramikfliesen durch die Bluse. Das Fenster war gekippt, es roch nach warmem Teig. Fünfunddreißig, sechsunddreißig. Die Wiese gab einem Luftzug nach, richtete sich wieder auf. Quadratische Platten, solche, in denen Steine zu erkennen sind, pflasterten einen Weg. Neununddreißig, vierzig Sekunden - ein Strich, zwei Striche: einer in der kreisförmigen Öffnung, einer in der eckigen, beide rosa. Sie las am Beipackzettel nach, was sie schon gelesen hatte: Striche bedeuten ja, kein Strich bedeutet nein. Der Geruch nach warmem Teig wurde stärker. Iris nahm ihr iPhone, fotografierte die Striche. Dann umwickelte sie den Stab mit einem Taschentuch, mit dem Beipackzettel, steckte ihn zurück in die Verpackung und in die Handtasche, die an der Klinke hing. Hellgelb, klein, leicht, mehr als zwei Dutzend Taschen besaß sie, fast immer nahm sie diese.

Sie schaute in den Spiegel, ihr Gesicht war wie immer. Was hattest du erwartet? Sie zeigte sich die Zunge. Auch die war wie immer. Vorhin hatte sie an der Theke die Kuchen betrachtet, sich nicht entscheiden können, hatte gesagt, ich setze mich, hatte sich nicht gesetzt. Sie würde nichts essen können.

Sie hatte es gewusst, seit gestern schon.

Jetzt hatte sie den Beweis.

Die Klinke bewegte sich. Klopfen, neuerlich. Ihre Tasche zitterte.

Sie zog die Spülung. Ging hinaus, lachend, das Lachen kullerte aus ihr heraus, ging vorbei an einer Dame in einem engen schwarzen Lederrock; die schüttelte den Kopf.

Als einzige Kundin stand sie vor der Torten-Vitrine. Was kann ich für Sie tun? Eine Biskuitroulade bitte, die mit den Erdbeeren. Können Sie die einpacken, transportsicher? Selbstverständlich. Mit dem kunstvoll verschnürten Päckchen verließ sie die Konditorei. Auf der anderen Straßenseite war durch das Schaufenster die Apothekerin zu erkennen, bei der sie zuvor gewesen war, wie sie mit einer jungen Frau sprach, ihr mehrere Packungen von etwas vorlegte, diese wieder wegnahm, neue Packungen auflegte, eine große Tube -

Es ist einfach, hatte die Apothekerin gesagt, die sicherste Methode, die es gibt. Absolut zuverlässig, Sie können nichts falsch machen.

Einfach war es wirklich gewesen.

Hinter der Apotheke ließ sich eine Landschaft ausklappen. Grün, wahnsinnig grün. Eine Weide, darauf zwei grasende Schafe, weit weg aber doch. Ein verblühter Bauerngarten, gelbe Fransen an einzelnen Stängeln. Ländliche Idylle in einer Millionenstadt. Leicht lag die Packung in ihrer Hand, länglich. Die Frau strich über ihren blitzweißen Labormantel, öffnete die Kasse, schloss die Kasse, reichte ihr die Rechnung. Hinter ihrer linken Schulter fraßen die Schafe.

Die nächste Kundin hatte den Ausblick durcheinandergebracht. Zugluft warf das Fenster zu, riss es wieder auf. Vorsicht!, die Apothekerin hatte sich an den Kopf gegriffen, als wäre er abfluggefährdet.

Da war Iris schon draußen gestanden. Die Konditorei war ihr aufgefallen, rote Maschen in der Auslage; sie hatte die Straße überquert, war eingetreten.

Iris setzte sich in Bewegung, das Biskuitpäckchen schlenkerte an ihrem Handgelenk. In vierzig Minuten musste sie beim Vorsingen sein. Um noch ins Hotel zu gehen, war es zu spät. Sie sah an sich hinunter. Ein schwarzes Kleid, knielang, blaue Strumpfhose, weiße Sneakers, ni