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Realitätsschock

Zehn Lehren aus der Gegenwart + neu: Der Corona-Schock | Sascha Lobo

E-Book (EPUB)
2019 Verlag Kiepenheuer & Witsch Gmbh
Auflage: 1. Auflage
400 Seiten
ISBN: 978-3-462-31991-0

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Kurztext / Annotation
Der SPIEGEL-Bestseller - mit exklusivem Bonuskapitel: Der Corona-Schock Haben Sie das Gefühl, die Welt sei aus den Fugen geraten? Sie sind nicht allein - die meisten Menschen haben in den letzten Jahren einen Realitätsschock erlitten: Unser Bild der Welt hat sich oft als kollektive Illusion entpuppt. Wer hätte damit gerechnet, dass Trump die Wahl gewinnt und die Briten für den Brexit stimmen? Dass Hunderttausende nach Europa flüchten und dabei Zehntausende sterben? Dass so viele Demokratien nach rechts kippen? Dass der Klimawandel so schnell spürbar wird und über Nacht eine weltweite Klima-Jugendbewegung entsteht? Sascha Lobo erklärt in seinem neuen Buch, warum die Welt plötzlich aus den Fugen geraten zu sein scheint. In seiner großen Analyse untersucht er, woher diese drastischen Veränderungen kommen und was wir daraus lernen können und müssen.

Sascha Lobo, geboren 1975, lebt als Publizist in Berlin und im Internet. Er ist Autor zahlreicher Bücher, Blogger und Podcaster, häufiger Gast in Fernsehsendungen und schreibt eine vielgelesene Kolumne beim SPIEGEL. Zuletzt erschien von ihm der Bestseller »Realitätsschock«.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Plastikpanik

Plastik ist seit dem Zweiten Weltkrieg der Treiber der Konsumgesellschaft. Das Wort stammt vom altgriechischen Verb »plassein«, übersetzt »formen«. Daraus leitet sich »plastikos« ab, »formbar«. Diese Formbarkeit entspricht der neu gefühlten Freiheit, die in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem als Konsum ausgelebt wird. Im Nachkriegsdeutschland (West) klingt »Nylon« nach der großen, weiten Welt. Die Kunststoff-Strumpfhose ist das Symbol für Westbindung, Warenfreude, Wohlstand. Plastik ist das Material der Stunde, so vielfältig, flexibel und modern, wie man selbst sein möchte.

Plastik hat eine Eigenschaft, die für Lebensmittelhersteller bares Geld bedeutet: Es ist leichter als bis dahin verwendete Materialien. Die Plastikverpackung genügt den wachsenden hygienischen Bedürfnissen der Kunden und reduziert Kosten für Transport und Lagerung. Mit seiner Anpassbarkeit an jede Form, seiner Widerstandsfähigkeit und seinem geringen Preis erlaubt Plastik erst die Warenlogistik der modernen Konsumgesellschaft. FMCG nennt man diese Produkte in der Sprache des Managements, Fast Moving Consumer Goods, Schnelldreher, die Alltagsprodukte der Wohlstandsgesellschaft. Ohne Plastikverpackungen wären sie undenkbar gewesen. Mit Shampoo zum Selbstabfüllen oder Joghurt im wachsversiegelten Holzfass hätten die Konsumgütergiganten Procter & Gamble, Nestlé oder Unilever die Welt kaum erobert. Bei einer Untersuchung von Greenpeace an den Stränden der Philippinen 2017 beträgt der Anteil des angespülten Plastikmülls dieser drei Konzerne rund ein Drittel des Gesamtmülls. Nestlé verkauft im selben Jahr etwa eine Milliarde Produkte täglich, 98 Prozent davon verpackt in Einwegplastik.

Ende der 1960er-Jahre, nach zwanzig Jahren kaum gebremster Konsumfreude, werden die Probleme unübersehbar, wie der Journalist Stephen Buranyi im britischen Guardian nachzeichnet. Im Juni 1969 erscheint in der New York Times ein Artikel über die »Dritte Verschmutzung« nach der Luft- und Wasserverschmutzung, den feststofflichen Abfall. »Die großen amerikanischen Städte stehen vor der Müllkatastrophe«, lautet der Titel. US-Präsident Nixon, ausgerechnet, nimmt sich in einem Positionspapier 1970 des Themas an: »Neue Verpackungsmethoden verwenden Materialien, die sich nicht abbauen lassen und kaum richtig verbrannt werden können. Daraus ergeben sich schwierige Müllprobleme. Obwohl viele Verpackungen wiederverwendbar wären, werfen wir heute weg, was wir noch vor einer Generation aufbewahrt hätten.« Ein öffentliches Umweltbewusstsein ist entstanden, bald schon sollen in den USA politische Konsequenzen gezogen werden. Wenig später erlässt der Staat New York eine Steuer auf Plastikflaschen, der amerikanische Kongress debattiert darüber, ob man Einwegverpackungen verbieten solle. Eine Stimmung gegen Plastik scheint sich auszubreiten.

Auch in Europa und in Deutschland. Der Spiegel schreibt 1971 über das Müllproblem: »Zwar werden nach der gegenwärtigen Schätzung Kunststoffe gegen Ende des Jahrzehnts gewichtsmäßig nur sechs Prozent der Müllmenge ausmachen; doch gemessen am Volumen, kann ihr Anteil auf etwa 50 Prozent ansteigen.« Das Nachrichtenmagazin zitiert eine Fachzeitschrift mit der eingängigen Formel »Verpackungsmüll - Folge des Fortschritts« und schreibt eindeutige Überschriften: »Müll-Öfen mit Kunststoffen überfüttert« und »Weggeworfene Perlonstrümpfe verrotten nicht«.

Aber Plastikproduzenten, die dahinterstehende Ölindustrie und Großverwender denken kaum daran, Produkte und Geschäftsmodelle umweltgerecht zu verändern. Einen Teil der Öffentlichkeit haben sie auf ihrer Seite. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: »Was nicht verrottet, [...] kann auch nicht schaden.« Solche Ansichten sind auch in der konsumfreudigen Zivilbevölkerung verbreitet. In den 1970ern gilt Plastik als cooler Gestal