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Lebenszeichen

Alois Brandstetter

E-Book (EPUB)
2018 Residenz Verlag
Auflage: 1. Auflage
224 Seiten
ISBN: 978-3-7017-4582-1

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Kurztext / Annotation
Ein Lebenszeichen ist nach der Definition des Duden ein 'Anzeichen oder Beweis dafür, dass jemand (noch) lebt. Herzschlag und Atem sind die wichtigsten Lebenszeichen.' Alois Brandstetter Von Adalbert Stifter bis zum Plastikdübel, von Sebastian Brants 'Narrenschiff' bis zur Alarmanlage, die sich die Gattin des Autors zu Weihnachten wünscht, von heiligen Reliquien bis zu unheiligen Frömmlern: Alois Brandstetter widmet sich gleichermaßen neugierig, scharfsichtig und ironisch den Details des Alltags und den großen Fragen des Lebens. Begegnungen mit seltsamen Zeitgenossen oder zeitgeistigen Begriffen werden zum Anlass für Überlegungen voller Wissen und Lebensklugheit. Die 'Lebensbescheinigung', die Brandstetter dem deutschen Renten Service jährlich abliefern muss, inspiriert ihn zu einem der kräftigsten und hintersinnigsten 'Lebenszeichen' dieses wunderbar vergnüglichen Bandes.

Alois Brandstetter,geboren 1938 in Pichl (Oberösterreich), lehrte als Professor für Deutsche Philologie an der Universität Klagenfurt. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Kulturpreis des Landes Oberösterreich 1980, Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig 1984, Kulturpreis des Landes Kärnten 1991, Adalbert-Stifter-Preis und Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich (2005). Zuletzt erschienen: 'Zur Entlastung der Briefträger' (2011), 'Kummer ade!' (2013), 'Aluigis Abbild' (2015) und zum 80. Geburstag 'Lebenszeichen' (2018).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Lebenszeichen

Jahr für Jahr muß ich der Deutschen Post AG, Niederlassung Renten Service in Berlin, eine sogenannte Lebensbescheinigung ( Life Certificate, Certificat de vie ), bestätigt von einer österreichischen Behörde und von mir beglaubigt unterzeichnet, senden, damit ich weiterhin meine deutsche Rente überwiesen bekomme, die mir auf Grund meiner dreizehnjährigen Tätigkeit an der Universität des Saarlandes zusteht und für die ich, auch wenn sie nicht besonders hoch ist, Deutschland mein Leben lang dankbar war ... Lebensbescheinigung , auch Lebensnachweis , lautet der amtliche Ausdruck für das, was man umgangssprachlich vielleicht Lebenszeichen nennt. Ein Beamter bestätigt, bekräftigt, bescheinigt und beglaubigt, daß sich der Bittsteller am und vor dem Schalter bewegt hat ... Da ich eigentlich spät, aber doch, wie es sich gehört, ein Testament "errichtet" oder von einem Notar errichten habe lassen, und für den Fall der Fälle (Demenz, Alzheimer) auch die Frage der "Sachwalterschaft" geregelt habe, müßte dann wohl mein Sachwalter nach Deutschland mitteilen, daß ich, vielleicht beeinträchtigt, aber im Grunde "still alive" bin. Es besteht aber sicher nicht die Gefahr, daß mein als Sachwalter benannter Sohn der deutschen Behörde meinen Tod verschweigt, um weiterhin meine Pension zu kassieren, dafür haben wir ihn zu gut erzogen. Von Betrugsfällen dieser Art liest man freilich manchmal.

Ein Lebenszeichen ist nach der Definition des Deutschen Universalwörterbuchs (Duden) ein "Anzeichen oder Beweis dafür, daß jemand (noch) lebt. Herzschlag und Atem sind die wichtigsten Lebenszeichen." Und das erste Lebenszeichen des Neugeborenen ist bekanntlich der Schrei, ein unartikulierter, vielsagender Schrei, der Mutter und Hebamme beruhigt. Im "Deutschen Wortschatz" meines Saarbrücker Lehrers Hans Eggers ist zum Stichwort Lebenszeichen auf das Kapitel D, Geistesleben , verwiesen, und darunter auf Brief ... Der Brief also als das Lebenszeichen schlechthin. "Von den Analphabeten wissen wir wenig. Sie schreiben uns keine Briefe ..." Aus dem Internet erfahre ich zu meinem Erstaunen, daß ich diesen Satz im Zusammenhang mit den schlecht beleumundeten Galatern und dem Galaterbrief des Apostels Paulus in meinem Roman "Ein Vandale ist kein Hunne" erörtert habe. Ein alter Mensch darf sich auch einmal wiederholen. Aber Alter soll auch kein Freibrief für dauernde Wiederholungen sein. Bei den Stammtischen älterer Menschen gibt es freilich immer wieder Teilnehmer, die bald wöchentlich den gleichen, nein, denselben Witz zum besten geben, für den sie freilich immer wieder mit beifälligem Gelächter belohnt werden. Nicht nur die Erzähler, auch die Hörer sind vergeßlich. Die "Narratoren" fragen nicht lange: Kennt ihr den schon?

Das lateinische Wort Narrator klingt, vom Deutschen her angesehen, wie ein Kompositum aus Narr und Tor ... Die Sprachwissenschaft spricht bei Wörtern, die in einer anderen Sprache ähnlich klingen, aber anderes bedeuten, von "gegensinnigen" Wörtern. Das Standardbeispiel ist sicher das italienische caldo , das die Italienisch lernenden Deutschen gern als "kalt" mißverstehen, obwohl es bekanntlich im "Gegensinn" "heiß" bedeutet. Caldo und kalt sind "falsche Freunde", wie es die Sprachwissenschaft nennt. Manchem "Narrator" (deutsch "Redhaus") möchte man gern in Latein zurufen: Si tacuisses philosophus mansisses , frei übersetzt: Reden ist Silber (Blech), Schweigen ist Gold. Ich habe mir das selbst manchmal leider zu spät gesagt und hätte mich gern in die Zunge gebissen! Aus der Benediktinerregel, über die ich oft nachgedacht und sowohl im Roman "Die Abtei" als auch neuerdings für ein Internet-Projekt der Schweizer Abtei Disentis in Graubünden einiges geschrieben habe, könnte man gerade über die taciturnitas , das Schweig