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Milde Gaben

Commissario Brunettis einunddreißigster Fall | Donna Leon

E-Book (EPUB)
2022 Diogenes
Auflage: 2. Aufl.
352 Seiten
ISBN: 978-3-257-61272-1

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Kurztext / Annotation
Elisabetta Foscarini, Jugendfreundin von Brunetti und immer noch eine Schönheit, taucht eines Tages in der Questura auf. Ob Brunetti verdeckt ermitteln könne, wer die Familie ihrer Tochter bedroht? Konkrete Tathinweise fehlen. Wer sollte auch einer Tierärztin Böses wollen und einem Buchhalter, der für eine wohltätige Stiftung gearbeitet hat? Schon will Brunetti das Ganze als übertriebene mütterliche Sorge abtun, da kommt es zu einem Überfall, der menschliche Abgründe offenbart.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ?Brunetti?-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Brunetti hatte zwar den Gazzettino schon in den Papierkorb geworfen, doch das Thema des Leitartikels ließ ihn auch auf dem Heimweg von der Questura nicht los. Zu Hause auf dem Sofa versuchte er sich auf Ciceros Anklage gegen einen korrupten Beamten in den Reden gegen Verres zu konzentrieren, doch seine Gedanken kehrten immer wieder zu den Geldströmen zurück, die das Land seit dem Wüten der Pandemie geflutet hatten.

Mehr als 125000 Menschen waren schon umgekommen, und doch hatte dies der Gier kein Ende gesetzt. Wie Brunetti schon gefürchtet hatte, bediente sich das organisierte Verbrechen ungeniert aus dem praktisch unbewachten Trog. Das Geld fiel vom Himmel, ein verängstigtes Europa mästete seine Unternehmen. Die Namen der Direktoren mancher Firmen hatten ihn ebenso erschauern lassen wie die Namen mancher für die Verteilung der Mittel zuständigen Beamten. Er und seine Kollegen von der Guardia di Finanza würden noch von ihnen hören.

Kredite wurden gewährt, viele Geschäfte vor dem Untergang bewahrt, viel Gutes geschah, vielen wurde geholfen. Dennoch war Brunetti überzeugt, dass sich ein Gutteil des Geldes auf dem Weg zu seinen Empfängern in Luft auf_löste und zahllose Unternehmen nur gegründet wurden, um Konkurs anzumelden und entschädigt zu werden.

Brunetti verstand von Wirtschaft nicht sehr viel, doch was das Betrügen und Stehlen anging, machte ihm niemand etwas vor: Die Verwüstungen, die das Virus in der Wirtschaft anrichtete, waren die perfekte Gelegenheit zu solchen Schurkereien. Er kannte die Tricks der Taschendiebe und Straßenräuber: Unruhe stiften, das Opfer ablenken und verunsichern, um es dann unbemerkt auszuplündern. Geschäftstüchtige Gauner hatten schnell erkannt, wie sie nun sogar ohne eigenes Zutun von der Angst und Verwirrung ihrer Opfer profitieren konnten.

Il Gazzettino berichtete von Gewerberaum, der von Hand zu Hand ging. Wo so viele Existenzen am Abgrund standen, sollte dies eigentlich ein ermutigendes Zeichen sein, Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Stadt, würden nicht gleichzeitig die überregionalen Zeitungen berichten, dass die diversen Maf_ias nicht wüssten, wohin mit dem vielen so unverhofft ergatterten Geld, das gewaschen und wieder ins Banksystem eingeschleust werden musste. Bot sich da ein Geschäft in guter Lage in Venedig nicht geradezu an? Über kurz oder lang würden die Touristen zurückkommen, selbst die Kreuzfahrtschiffe würden wieder aus der Versenkung auf_tauchen, auch wenn Brunetti sie eher als schwimmende Särge betrachtete.

Er verscheuchte diese Gedanken. Wozu sich vorschnell düsteren Spekulationen hingeben? Vielleicht würden die Menschen ja, täglich mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert, doch noch zur Vernunft kommen und andere Prioritäten setzen.

Ein Geräusch im Flur riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah gerade noch, wie Chiara in ihr Zimmer verschwand, um sich in ihrer hermetischen Welt der sozialen Medien einzuigeln. Angst und Sorge um seine Kinder befiel ihn, sogleich aber flammte auch Hoffnung auf trotz allen Schadens, den die Welt genommen hatte, in der sie ihr Leben verbringen würden.

Um seine Stimmung zu verscheuchen, machte Brunetti sich auf den Weg zu Paolas Arbeitszimmer; die Tür stand offen, und er trat ein. Sie saß, die Brille mitten auf der Nase, vor ihrem Computer. Ohne aufzublicken, sagte sie: »Gut, dass du da bist.«

»Warum?«, fragte er und gab ihr einen Kuss auf den Hinterkopf.

Sie tippte einen Satz zu Ende, nahm die Brille ab und wandte sich ihm zu. Er merkte, wie ihre Augen sich erst auf die größere Entfernung einstellen mussten.

»Weil du stark genug bist, mich festzuhalten, wenn ich von der Terrasse springen will«, sagte sie so ruhig, als würde sie einem Fremden auf der Straße den Weg erklären.

Er ließ sich aufs Sofa fallen, streif_te die Schuhe ab und legte die Füße hoch. Ihr Schreibtisch war fast