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Tiefer Fjord

Roman | Ruth Lillegraven

E-Book (EPUB)
2021 Ullstein
Auflage: 1. Auflage
400 Seiten
ISBN: 978-3-8437-2564-4

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Kurztext / Annotation
Die Thriller-Sensation aus Norwegen - packendes Nordic Noir trifft auf erstklassigen Psychothriller Ein kleiner Junge wird bewusstlos in eine Klinik in Oslo eingeliefert, er stirbt kurz darauf an den Folgen seiner Verletzungen. Der diensthabende Arzt Haavard ist überzeugt, dass der Junge misshandelt wurde. Bevor die Polizei die Eltern, pakistanische Einwanderer, vernehmen kann, wird der Vater des Jungen erschossen aufgefunden. Im Gebetsraum der Klinik. Ein Mord aus Fremdenhass? Haavards Frau Clara ist geschockt, als sie von den Ereignissen erfährt. Schon lange kämpft die Politikerin für ein neues Gesetz, das misshandelten Kindern früher helfen soll. Bisher war ihr Kampf vergebens. Kurz darauf wird eine iranischstämmige Frau ermordet und ausgerechnet Haavard gerät ins Visier der Ermittler. Clara muss ihn entlasten, um politisch weiter tragbar zu sein. Dabei weiß sie überhaupt nicht, wo ihr Mann zu den Tatzeiten war. Doch Haavard ahnt nichts von Claras dunkler Vergangenheit ... »Ich habe das Buch verschlungen und die Figuren haben mich nicht mehr losgelassen.« Maja Lunde

Ruth Lillegraven wurde 1978 in Hardanger geboren und lebt heute in Bærum. 2005 debütierte sie mit einer Gedichtsammlung. Seitdem veröffentlichte sie Lyrik, Kinderbücher, ein Theaterstück und Romane. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie den Brage-Preis und den Nynorsk Literaturpreis.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

2 - Clara

Wer ein richtiger Minister sein will, greift kaum jemals selbst zum Telefon. Für gewöhnlich ruft die Sekretärin von Justizminister Anton Munch an und fragt, ob ich rüberkommen kann.

Im Ton höflich, aber die Frage ist rein rhetorisch.

Her mit dir. Pronto.

»Ich komme.« Ich stehe auf, streiche mein Kostüm glatt, speichere das Dokument, an dem ich arbeite. Mein drittes Kind. Ein Vorschlag zur Gesetzesänderung. Prop. 220_L. 78_Seiten. 11._Kapitel. Vorbemerkung, Zielsetzung. Geltendes Recht, Erwägungen und Vorschläge. Anmerkungen. Dann der neue Gesetzestext.

Und ganz am Schluss wie immer die absurde Formel Wir, Harald, König von Norwegen.

Der Gesetzesvorschlag soll dafür sorgen, dass alle Instanzen, ob Krankenhaus oder Jugendamt, Kindergarten oder Gesundheitswesen, stärker verpflichtet sind, jeden Verdacht von Gewalt gegen Kinder oder Missbrauch weiterzuge-
ben.

Diese Meldepflicht ist im geltenden Recht bislang zu unverbindlich formuliert, überall steht die Schweigepflicht im Vordergrund.

Das soll anders werden.

Der Vorschlag ist so gut wie fertig. Jetzt arbeite ich noch am Text, straffe ihn und feile und poliere an ihm herum wie an einer Skulptur, damit er rundherum glänzt.

Und ich setze meine Ehre daran, den aufgeblasenen, unverständlichen Stil zu vermeiden, den wir Juristen gewöhnlich produzieren, lauter verschachtelte Nebensätze und Einschübe, bis es eine unlesbare Soße wird, wegen der die PR-Leute sich die Haare raufen, wenn sie Presseerklärungen zustande bringen müssen. Jedes Jahr neu werden etliche externe Berater engagiert, die uns beibringen sollen, uns verständlich auszudrücken. Klartext sozusagen.

Klartext können sie haben.

Ich klackere auf meinen Stilettos durch die Gänge zur politischen Abteilung. Absätze auf braunem Schiffsboden. In den Verwaltungsetagen haben wir nur Linoleum, hier im Allerheiligsten ist Teakholz verlegt, mit schwarzen Streifen zwischen den Deckplanken.

Der Erste, dem ich bei den Politikern begegne, ist dieser idiotische, auf den Hinterbeinen stehende ausgestopfte Eisbär. Wahrscheinlich auf Spitzbergen geschossen, auf der Treppe vor der Kirche. Gereckter Rücken, starrer Blick. Ich reiche ihm gerade mal bis zum Ellbogen. Er hört auf den Namen »Oddbjørn«.

Seit einiger Zeit arbeite ich direkt Minister Munch zu, abseits vom Dienstweg. In den letzten Monaten bin ich ihm und damit meinem Ziel immer näher gekommen.

Sämtliche Einwände und Fragen der verschiedenen Vorgesetzten habe ich in diesen Tagen gelöst. Der Vorschlag muss zwar noch eine Anhörung überstehen, bevor er dem Parlament vorgelegt werden kann, aber wenn der Minister sein Okay gibt, ist schon viel gewonnen.

Ein Ministerium spürt schnell, ob es an seiner Spitze eine Führungspersönlichkeit hat oder nicht. Munch ist jetzt seit einem Jahr im Amt, inzwischen merkt man, dass er viel heiße Luft produziert, aber ich sehe ihn weniger kritisch als andere, eben wegen meines Projekts.

Der Höhepunkt war vor einer Woche. Wir saßen in seinem Büro, er lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und sagte:

»Okay, Clara. Wir machen das.«

Auch jetzt sitzt er wieder hinter seinem großen braunen Schreibtisch, dahinter passende Bücherschränke.

Am Tag nach der Schlüsselübergabe hat er die Gemälde, die in seinem Büro hingen, rausgeworfen und durch einen riesigen Flachbildschirm-Fernseher ersetzt. Außerdem hat er das Büro mit Hunderten Miniaturhelikoptern und Militärfahrzeugen geschmückt, was die Journalisten nur zu gerne in ihren Artikeln erwähnen.

Der aufgeräumte Teakholzschreibtisch, das Obst, die weißen Kaffeetassen, der Fernseher, die Schnellhefter, die ironischen Kaktustrophäen der Boulevardzeitschrift Se og Hør, nichts scheint besonders, aber der Mann hinter dem Schreibtisch sitzt auf einem der mächt