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Die Gilde der SchattenOverlay E-Book Reader

Die Gilde der Schatten

Roman | Nicole Gozdek

E-Book (EPUB)
2022 Piper Verlag
Auflage: 1. Auflage
400 Seiten; ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-492-99946-5

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Kurztext / Annotation
Der Waisenjunge Farisio schlägt sich mehr schlecht als recht auf den Straßen des windumtosten Landes Wirilat durch. Als die zwielichtige Gilde der Schatten Farisio anwerben will, lehnt er entschieden ab - bis sie seinen Schützling, das kleine Mädchen Ileija, entführt. Widerstrebend wird Farisio Schattenanwärter im Dienst der Gilde, während er insgeheim nach einem Fluchtweg für Ileija und sich selbst sucht. Doch als Farisio bei einem Einstufungstest von den mysteriösen Machenschaften der Gilde erfährt, muss er seine Pläne überdenken und sein wahres Schicksal annehmen ...

In Buxtehude, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, nahm Nicole Gozdeks Leidenschaft für phantastische Geschichten ihren Anfang. Nach dem Germanistik- und Romanistikstudium mit Schwerpunkt auf Literatur und einem Abstecher in die Buchbranche arbeitet sie heute als Online Marketing Managerin. Mit ihrem All-Age-Fantasyroman »Die Magie der Namen« gewann sie 2015 den ersten #erzählesuns-Award des Piper Verlags und 2017 den Deutschen Phantastik Preis für das beste Romandebüt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1
Brise

Unerwartet fuhr ihm der Wind ins Gesicht. Farisios Augen brannten. Es fühlte sich für ihn wie ein Schlag an. Der Wind forderte seine Aufmerksamkeit und entlockte ihm ein Seufzen.

Natürlich hätte es auch ein Nachkomme von Wirilat sein können, der voller Übermut seine Windmagie an ihm erprobte, doch Farisio glaubte das nicht. Dann hätte er nicht dieses leise Wispern vernommen: Hör zu!

Farisio schloss für einen Moment müde die Augen. Sein Magen knurrte und schmerzte vor Hunger. An diesem Tag hatte er noch nichts gefunden, mit dem er das Monster, das in seinen Eingeweiden zu hausen schien, hätte besänftigen können. Und auch nicht am Tag zuvor.

Er war Hunger gewohnt, genau wie Durst, Kälte, Müdigkeit, Furcht und Wachsamkeit. Man überlebte nicht auf den Straßen, wenn man nicht hart im Nehmen war. Und Farisio war ein echtes Stehaufmännchen. So jedenfalls hatte ihn Ybbydus immer genannt.

Trauer kam in ihm auf, als er an seinen verlorenen Freund dachte, der ihm mehr Vater und Mutter gewesen war, als sein ahnungsloser Erzeuger oder seine wahnsinnige Mutter es je gewesen waren. Sechs Jahre war Ybbydus nun bereits vermisst und er hatte einen Teil von Farisios Seele mitgenommen, als er verschwand.

Der Wind nahm an Stärke zu, bis er laut brüllte und ihn aus seinen Gedanken riss. Farisio zuckte zusammen, als er wieder an seine Umgebung erinnert wurde. Es war höchste Zeit für ein warmes Plätzchen, eine Mahlzeit und ein Nickerchen.

Inzwischen hatte der launische Wind seine Aufmerksamkeit anderen zugewandt. Er fuhr durch die schweren Stoffbahnen der Marktstände um Farisio herum, brachte die Flaggen und Fähnchen zwischen den Häusern zum Tanzen und die Windspiele an den Gebäuden zum Klingen, erfand mit spielerischer Leichtigkeit eine neue Melodie und gab den Luftschiffen der Wachen über der Stadt Brise einen kleinen Stups. Er erzählte ihnen allen etwas, doch Farisio merkte, dass niemand dem Wind zuhörte. Niemand außer ihm.

Vielleicht musste man einsam sein, um mit dem Wind zu sprechen. Er wusste es nicht. Manchmal vergingen Tage, ohne dass er mit einem anderen Kuftari sprach. Tage, in denen er das Wort nur an Tiere oder an den Wind richtete, die ihm wenigstens zuzuhören schienen und die nicht aufgrund seiner alten, abgetragenen und geflickten Kleidung misstrauisch vor ihm zurückwichen.

Ja, er hatte kein Geld. Aber er war kein Taschendieb, Mörder oder sonstiger Gauner. Dennoch gab ihm niemand eine Chance oder eine ehrliche Arbeit. Er hätte sich prostituieren können - Angebote von lüsternen Männern, denen sein junges Gesicht gefiel, bekam er genug -, doch lieber wäre er verhungert oder erfroren, als sich zu verkaufen.

Er hatte gehofft, dass sein Leben besser werden würde, wenn er erst einmal die verfluchte Domäne Ectorui hinter sich gelassen hatte, in der nichts je so blieb wie am Tag zuvor und jede Straße überall hinführen konnte, nur nicht wieder hinaus in eine der Nachbar-Domänen. Wie oft hatte er geglaubt, es endlich bis zum Übergang nach Gorgubi geschafft zu haben? Nur um zum Beispiel am nächsten Morgen in der Gestalt eines beinlosen Kriechtieres aufzuwachen, und sich mühsam Elle um Elle auf den Ausgang aus dem Irrgarten des Wahnsinns zuzubewegen? Und wie oft hatte er dann bei Sonnenuntergang erlebt, wie sich die wandernden Hügel wieder auf den Weg ans andere Ende von Ectorui machten und ihn mit sich nahmen? Häufig hatte er kurz davorgestanden, einfach aufzugeben, wenn er wieder einmal in der falschen Gestalt gefangen gewesen war oder sich hoffnungslos verirrt hatte. Es hatte viele Jahre gedauert, bis er dem Chaos, das Ectorui war, entkommen war. Doch selbst jetzt, einen Monat nach seiner Flucht, selbst nachdem er die Domäne Gorgubi durchquert hatte, war er noch nicht ruhiger und hatte immer noch Angst, dass die vergangenen Wochen nur ein Traum gewesen waren.

Verstohlen musterte er die Kuftari in seine