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In einem fremden Land

Ein Jerusalem-Krimi | Alfred Bodenheimer

E-Book (EPUB)
2024 Kampa Verlag
224 Seiten
ISBN: 978-3-311-70483-6

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Kurztext / Annotation
In der Jerusalemer Altstadt erschießt eine Polizistin den dreißigjährigen Musa Hamid, weil sie die Gesten des autistischen Mannes falsch deutet. Wenige Tage später stürzt der Chef der Bereitschaftspolizei Uriah Zunder auf Zypern von einer Klippe in den Tod - er war es, der seinen Untergebenen befohlen hat, »proaktiv gegen Terroristen vorzugehen«, also im Zweifelsfall Menschen zu töten, die noch gar kein Verbrechen begangen haben. War es ein Unfall, wie die offizielle Version lautet? Oder eine Kurzschlussreaktion Zunders, der noch kurz vor seiner Abreise bei der Polizeipsychologin Kinny Glass in einer Sprechstunde war? Je mehr Kinny über die Umstände seines Todes erfährt, desto mysteriöser erscheinen ihr diese, und allen offiziellen Anordnungen zum Trotz stellt sie eigene Nachforschungen an. Dabei wächst ihr Entsetzen über die politische Situation in ihrem Land, die solche Tragödien begünstigt. Privat stehen Kinny große Ereignisse bevor: Ihre Tochter erwartet das erste Kind, ihre Eltern ziehen in eine Seniorenwohnung, und dann kündigt noch Helmut aus Stuttgart seinen Besuch an, ein ehemaliger Kommilitone, in den Kinny damals verliebt gewesen ist ...

Alfred Bodenheimer, geboren 1965 in Basel, muss das literarische Schreiben wegen seiner Arbeit als Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universität Basel auf wenige Wochen im Jahr beschränken. Dann aber fühlt er sich, als würde sich ein Ventil ungebremster Kreativität öffnen. Oft unterwegs zwischen der Schweiz und Israel, wo seine Familie lebt, sieht er sich als Pendler zwischen zwei Welten, was seinen Blick für beide Länder und Gesellschaften schärfe.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

»Kinneret«, klang es monoton aus dem kleinen Lautsprecher.

Kinny Glass legte den Zettel mit ihrem Namen auf die Theke, und eine übermüdete junge Frau schob ihr das Tablett mit dem Café Hafuch und einer Bureka mit bulgarischem Käse hin. Kinny nahm das Tablett entgegen und setzte sich damit an einen der Bistrotische im hintersten Winkel der Ankunftshalle des Flughafens.

Eine knappe Stunde Verspätung war für die Abendmaschine aus Frankfurt angekündigt, und Kinny war ohnehin sehr zeitig gekommen. Sie hatte außer einem Apfel nichts zu Mittag gegessen, weil der Tag vollgestopft gewesen war mit Terminen. Der Druck, unter den die Polizei in den vergangenen Monaten seit Antritt der neuen Regierung gekommen war, die Unsicherheit und Angst der Beamten, auch ihre Überforderung durch außerordentliche Einsätze, die ihnen Überstunden abverlangten - das alles machte sich immer stärker auch im polizeipsychologischen Dienst bemerkbar. Gestandene Mitglieder des Korps waren während der Gespräche mit Kinny in Tränen ausgebrochen. Ihr wurde immer klarer, dass die einst einigermaßen geeinigte Truppe in Individuen zerfallen war. Keiner wusste mehr, was der andere dachte, ob jemand sich auf Kosten von Kollegen Vorteile verschaffen würde.

Sogar Uriah Zunder, der Chef der Bereitschaftspolizei, war innerhalb weniger Tage zweimal bei ihr gewesen. Kinny hatte extra Abendtermine außerhalb ihrer Arbeitszeit für ihn eingeräumt, was sie eigentlich nie tat, wenn sie nicht zum Pikettdienst eingeteilt war oder in Fällen unvorhersehbarer Katastrophen wie Attentaten. Doch Zunder war immerhin eine Führungskraft, und wenn er psychologische Unterstützung anforderte, konnte ein Hinauszögern für viele, die seinem Befehl unterstanden, zum Problem werden. So zumindest hatte sie vor sich gerechtfertigt, weshalb sie ihm spontan Treffen angeboten hatte, die für sie selbst mit Überstunden verbunden waren. Gleichzeitig musste sie sich eingestehen, dass die Gerüchte, Zunder könnte der nächste Kommandant des ganzen Jerusalemer Polizeidistrikts werden, auch eine Rolle bei ihrem Entscheid gespielt hatten. Sie machten ihn zu einer Person, deren Anliegen zu verweigern künftig seinen Preis haben könnte.

Sie hatte bereits beim ersten Treffen eine tiefgehende Verstörung an Zunder festgestellt. Wie viele andere Beamte auch, die mit der Sprache nicht herausrücken wollten und meinten, dennoch ihre Probleme auf den Tisch legen zu können, klagte er über Schlafstörungen »seit einigen Nächten«.

»Wissen Sie, was diese Schlafstörungen verursacht?«

»Stress, denke ich.«

»Hat dieser Stress denn gerade in der jüngsten Zeit zugenommen?«

»Er hat sich aufgestaut, würde ich sagen.«

Bei allen weiteren Versuchen, irgendetwas über diesen Stress herauszufinden, hatte er gemauert.

»Was wollen Sie denn von mir, Uriah? Mit welchen Erwartungen sind Sie zu mir gekommen?«

»Dass Sie mir helfen, Stress abzubauen.«

»Da gibt es schon Möglichkeiten. Aber wenn Sie sich in einer akuten Notsituation befinden, vielleicht am Beginn einer Depression, dann nützt es nichts, über Mittag eine halbe Stunde zu meditieren, um nachher gleich wieder in denselben Trott einzusteigen. Dann müssen Sie ernsthaft herunterfahren, eine Weile sogar ganz pausieren.«

Zunder hatte sich am Kopf gekratzt. Kinny wunderte sich immer wieder, mit welchen Vorstellungen die Leute zu ihr kamen. Als erhofften sie sich von einem einzigen Gespräch mit ihr das Rezept zur Behebung ihrer Probleme.

»Eine Krankschreibung, meinen Sie«, hatte er schließlich gesagt.

»Ja, eine Krankschreibung. Die kann ich Ihnen nicht ausstellen, aber ich kann einen Brief an Doktor Wigoder schreiben und ihn bitten, dass er Ihnen rasch einen Termin gibt. Von ihm erhalten Sie dann die Krankschreibung.«

Er sah sie unsicher an, und für einen Moment erinnerte er sie an ihren Yorkshireterr