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Letzte FreundeOverlay E-Book Reader

Letzte Freunde

Roman | Jane Gardam

E-Book (EPUB)
2016 Carl Hanser Verlag München
240 Seiten
ISBN: 978-3-446-25427-5

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Kurztext / Annotation
Es ist Abscheu auf den ersten Blick, der Edward Feathers und Terry Veneering, die glänzendsten Juristen des British Empire, ein Leben lang verbindet. Als ebenbürtige Gegner in zahllosen Prozessen hassen sie einander schon, bevor sie sich beide in dieselbe Frau verlieben. Und es wird ein Leben lang dauern, bis sie bemerken, dass sie ebenso gut Freunde sein könnten. Was hat Feathers' Frau Betty so angezogen an Veneering, dem Mann mit dem weißblonden Haar, der selbst mit der schönsten Frau Hongkongs verheiratet ist? Worum beneiden die erbitterten Feinde sich mit solcher Intensität? Mit weiser Gelassenheit erzählt Jane Gardam, eine der bekanntesten Schriftstellerinnen in England, von der Fähigkeit zur Liebe und einer späten Freundschaft.

Jane Gardam wurde 1928 in North Yorkshire geboren und lebt heute in East Kent. Für ihr viel bewundertes schriftstellerisches Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Nach der Bestseller-Trilogie um Old Filth sowie dem Erzählungsband 'Die Leute von Privilege Hill' erschien bei Hanser Berlin zuletzt ihr Roman 'Weit weg von Verona' (2018).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

3. Kapitel

Nach dem Gottesdienst wollte die alte Dulcie nicht mehr lange beim Beerdigungskaffee in der Parliament Chamber auf der anderen Seite des Temple Yard bleiben. Die Gespräche schwollen zu einem ganzen Chor an, als sie alle aus der Kirche strömten. Der Zwerg wurde in einem protzigen Wagen davongefahren und warf seinen Hut in die Menge wie ein Held. Menschenströme schoben sich die Treppe zur Inner Temple Hall hinauf Richtung Champagner. Dulcie hielt sich an Susans Arm fest; drinnen, in der Anwaltskammer, beobachtete sie die Leute, wie sie einander verunsichert betrachteten, bevor sie sich ins Getümmel stürzten. Sie beobachtete sie, wie sie einander beobachteten, verstohlen, aus der Ferne. Sie registrierte, wie sie einander mit durchaus unterschiedlicher Emphase nach dem Namen fragten. Sie sah ein paar Dinge, die ihr in letzter Zeit Sorgen gemacht hatten. Und nebenbei spielte sich noch vieles ab, was sie zum ersten Mal bemerkte oder zum ersten Mal analysierte, obwohl sie wusste, dass es alltäglich war - Gewohnheiten wie der Blick auf die Uhr oder das Ausstrecken einer Hand. Aber was um alles in der Welt bedeutete es?

Sie war sicher, dass sie viele der in ihrem Blickfeld auftauchenden plaudernden Gesichter gekannt hätte, wenn sie den Schleier aus Runzeln und Falten hätte heben können. Und diese komische papierartige, trockene Haut! "Ich fürchte, das waren die ganzen Zigaretten ", sagte sie zu einer vorbeikommenden Frau in rosa Seide. Die Frau verschwand auch gleich wieder von der Bühne. In einer Ecke schienen ein paar Rüpel den Hut des Zwergs herumzureichen, und es wurde gejubelt. "Cowboys", sagte sie. "Hier geht es ja zu wie im Saloon." Sie ging zu den herrlichen, hohen Fenstern und hörte überall halb vertraute Stimmen und die Namen alter Freunde, von denen bedauert wurde, dass sie schon so lange nicht mehr da waren.

Aber für sie waren sie noch nicht verschwunden. Niemals! Dulcie hatte nach dem Vorbild ihrer Mutter seit der Schulzeit sämtliche Adressbücher und Geburtstagskalender aufbewahrt, ebenso wie ein verschlissenes Vorkriegs-Autogrammbuch. Einige Namen waren auf den Seiten schon verblichen. Manche hatte Susan rigoros durchgestrichen. ("Aber in Wingfield waren immer Vansittarts!" - "Susan, streich die nicht durch! Ich schicke ihnen eine Weihnachtskarte.") Ich muss mal dieses E-Mail lernen, dachte sie. Morgen. "Susan - können wir bitte nach Hause fahren?"

Susan holte den Mantel ihrer Mutter. Den Hut hatte Dulcie natürlich aufbehalten. Er warf einen angenehm fedrigen Schatten, aber sie wünschte sich, zur jungen Generation zu gehören, die den Hut in der Garderobe gelassen hätte, um zu zeigen, dass ihr Haar nicht, wie bei den meisten anderen, oben dünn wurde. Aber das wagte sie nicht. Ihr Pelzmantel war teuer und leicht wie Wolle und roch nach "Evening in Paris", was den ein oder anderen alten Nasenflügel beben ließ, als sie vorbeiging.

Ein Taxi zur Waterloo Station war gerufen worden, und Herman wurde gefunden. Der Junge stand groß und schwerfällig da und sah in Richtung der Themse über die Temple Gardens hinweg, "wo sie", erklärte er seiner Großmutter, "wie du ja sicher weißt, die Rosenkriege organisiert haben".

"So ein hervorragender Limonensaft", sagte Dulcie. "Den haben wir im Krieg vielleicht vermisst!"

Herman sah sie finster an und sagte, heutzutage hätten wohl wirklich nur noch Amerikaner ein Geschichtsbewusstsein.

"Dabei haben die ja nicht mal besonders viel Geschichte", sagte Dulcie.

"Genießen Sie die romantische Aussicht?", fragte der ehemalige Vizekanzler, der gerade vorbeikam. "Hallo, Dulcie. Ich bin Cumberledge. Eddie und ich waren zusammen in Wales."

"Wie schön", sagte Dulcie. "Das soll ja jetzt Cumbria heißen. So affig. Herman, Schatz, ich denke, wir gehen."

"Die Themse hat mal so gestunken, dass sie aus dem