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Licht

Anthony McCarten

E-Book (EPUB)
2017 Diogenes
Auflage: 2. Aufl.
368 Seiten
ISBN: 978-3-257-60781-9

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€ 10,99

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Kurztext / Annotation
Die Geschichte von zwei unterschiedlichen Männern, die sich treffen, um gemeinsam die Welt zu verändern. Der eine bringt mit seiner Erfindung weltweit Licht ins Dunkel, der andere ist ein Genie des Geldes. Doch während J. P. Morgan aus der Beziehung als reichster Mann der Welt hervorgeht, lässt sich der Erfinder der Glühbirne, Thomas Edison, von der schillernden Welt seines Partners verführen und setzt nicht nur seine Erfindungskraft, sondern auch sein Seelenheil aufs Spiel.

Anthony McCarten, geboren 1961 in New Plymouth/Neuseeland, schrieb als 25-Jähriger mit Stephen Sinclair den Theaterhit ?Ladies Night?. Es folgten Romane und Drehbücher, für die er schon mehrere Male für einen Oscar nominiert war (u.a. zu den internationalen Filmen ?The Theory of Everything? und ?Darkest Hour? und ?Bohemian Rhapsody?). Er lebt in London.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

{7}Eine Vignette

Der Erfinder goss sich ein Glas Milch ein und horchte auf das zwanzigste Jahrhundert. Ein paar Sekunden blieben noch bis Mitternacht, aber es gehörte zu seinem kleinen Experiment, dass er die Milch getrunken haben wollte, bevor die Uhr zum ersten Mal schlug.

In dieser Nacht aller Nächte saß er allein in seinem Arbeitszimmer. Seine Frau hatte ihn nach oben geschickt, damit er sich für die Jahrhundertwendfeier umziehen sollte, die eine Etage tiefer jeden Moment losbrechen würde, aber er hatte sich von der Idee zu einem Experiment ablenken lassen. Sein alter Gehrock hing ihm schlaff von den Schultern, den Strohhut hatte er noch auf dem Kopf, und nun beugte er sich vor und füllte das Glas bis zu einem vorbestimmten Punkt, den er mit dem Daumen markierte. Als die richtige Menge im Glas war, nahm er es und trank mit der Aufmerksamkeit und Konzentration eines Alkoholikers.

Und da, just als er sich die Lippen leckte, kam {8}der erste Schlag der Porzellanuhr an der Wand. Das Jahrhundert war vorüber. Eine Feuerwerksrakete erfüllte das Fenster mit Licht. An ihrem höchsten Punkt angekommen, zerplatzte sie. Sterne regneten herab.

Das alte Jahrhundert - die New York Times war sogar so weit gegangen, es nach ihm zu benennen, dem »Mann, der das meiste dafür geleistet hat« - war plötzlich auf das Maß einer bloßen Anekdote geschrumpft. Und er war froh, dass es vorüber war. Mit etwas Glück, dachte er, war die Zeit, in der man ihn wie einen Gott verehrt hatte, nun auch bald vorbei; und auch den albernen Spruch, dass doch sein Name so sehr der Inbegriff alles Neuen sei, dass die Idee zu einem neuen Jahrhundert nur aus seinem Labor gekommen sein könne, würde man bald nicht mehr hören. Nein, er würde dem neunzehnten nicht nachtrauern - weg damit. Sollte sich das neue Jahrhundert einen neuen Messias suchen.

Der fröhliche Lärm, der von unten heraufdrang, bestärkte ihn nur in seinem Entschluss, der Feier fernzubleiben. Er wischte sich den letzten Rest Milch von der Oberlippe, leckte seine Bleistiftspitze an - die verlässlichste Freude war und blieb für ihn seine Arbeit - und notierte die neueste Flüssigkeitsaufnahme zusammen mit seinem aktuellen {9}Gewicht, das konstant bei respektablen 148 Pfund blieb.

Dieser heimliche Test, mit dem er herausbekommen wollte, ob es möglich war, dass ein Mensch sich nur von einem einzigen Nährstoff ernährte, in diesem Falle Milch, lief schon seit drei Wochen und kam an seinen entscheidenden Punkt. Ihm war klar, dass die Öffentlichkeit über eine so radikale Entdeckung, gerade wenn sie sich auch noch als medizinisch haltbar erwies, nur verächtlich die Nase rümpfen würde, zumal sie von keinerlei wirtschaftlichem Nutzen wäre. Aber es war ein Bereich, der ihn interessierte, denn schon seit jungen Jahren hatten ihn die abstrusen Ernährungsvorschrif_ten seines Vaters fasziniert, eines Autodidakten mit dem Kinnbart und der rasierten Oberlippe eines Quäkers. Und die erste Frau des Erfinders - mochte Gott ihrer Seele gnädig sein und ihm selbst verzeihen, was er ihr angetan hatte - war früh gestorben, vielleicht die Folge einseitiger Ernährung: Schokolade. War das laufende Experiment also eine Art symbolische Leichenschau seiner ersten Ehe? Ein verspätetes Sich-Kümmern, eine morbide Beweisaufnahme?

Er stand auf und zählte mit: Neun Schritte genügten, um ihn ans Bücherregal zu bringen. Unterwegs klopf_te er noch auf das Barometer an der {10}Wand. Aber es war schon zu oft beklopft worden, um noch zu reagieren; und auch das Thermometer blieb beharrlich auf eiskalten sieben Grad.

Er fand das gesuchte Buch. Auf dem Vorsatzblatt der verblasste Namenszug seines Vaters. Neugierig auf die Lektüre, kehrte er zu seinem Stuhl zurück, doch er sah, wie die Oberfläche der Milch im Krug von dem Lärm der Feiern