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Suchbild mit Katze

Roman | Peter Henisch

E-Book (EPUB)
2016 Deuticke
208 Seiten
ISBN: 978-3-552-06331-0

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Kurztext / Annotation
Ein Kind lehnt am Fenster, neben ihm, auf dem Fensterbrett, sitzt eine Katze. Sie ist die erste in seinem Leben. Das Fenster ist eines von vielen, aus denen es schauen wird, doch hier erwacht sein Bewusstsein. Der Autor nimmt uns in diesem Buch mit in seine Kindheit im Wien der Nachkriegszeit. Dass es zu verträumt ist, das hört das Kind nicht selten. Das Träumen ist eine Eigenschaft, die sich der Schriftsteller Peter Henisch bewahrt hat, und bis heute ist er auch ein Katzenfreund geblieben. Die Katzen, die sein Leben begleitet haben, und die Fenster, aus denen er die Welt betrachtet hat, bilden den Rahmen für diese Autobiographie, in der Henisch kunstvoll persönliche Geschichte mit Zeitgeschichte verknüpft.

Peter Henisch wurde 1943 in Wien geboren, er studierte Germanistik, Philosophie, Geschichte und Psychologie. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift Wespennest, seit 1971 arbeitet er als freier Schriftsteller und lebt in Wien. Werke u.a.: Die kleine Figur meines Vaters (1975), Pepi Prohaska Prophet (1986), Steins Paranoia (1988), Morrisons Versteck (1991), Vom Wunsch, Indianer zu werden (1994), Schwarzer Peter (2000). Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, mit seinen Romanen Die schwangere Madonna (2005) und Eine sehr kleine Frau (Deuticke, 2007) war er auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. 2009 ist Der verirrte Messias im Deuticke Verlag erschienen, 2013 sein Roman Mortimer & Miss Molly, 2016 Suchbild mit Katze, das auf der Shortlist zum Österreichischen Buchpreis stand, und zuletzt Siebeneinhalb Leben (2018).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet



II

EIN WENIG von der Umwelt, in der meine Mutter aufgewachsen war, kann ich mir vorstellen, wenn ich an die Besuche bei meinen Großeltern zurückdenke. Den böhmischen Großeltern, wie mein Vater sie nannte. Was eine ungenaue Bezeichnung war, denn aus Böhmen stammte eigentlich nur der Opa. Die Familie der Oma war aus der Slowakei zugereist.

Zugereiste waren sie jedenfalls beide. Wie viele ( die meisten) Wiener. Also echte Wiener. Inzwischen daheim im zehnten Bezirk, Favoriten. Seinen Namen hat dieser Bezirk von einem kaiserlichen Jagdschloss ( La Favorita ), das einmal in der wahrscheinlich noch kaum verbauten Gegend gestanden war, doch ab Mitte des 19 . Jahrhunderts stellte man keine Jagdschlösser mehr in die Landschaft, sondern Fabriken.

Und Zinshäuser. In einem davon wohnten meine Großeltern. In Wien X , Hasengasse Nr. 53 . Aus dem Eckfenster ihrer Wohnung am Rand des Waldmüllerparks sah man bei Tag, über die Kronen der Parkbäume hinweg, auf die Bahntrasse. Nachts trug der Wind das Rattern der vorbeifahrenden Züge herüber.

Ich habe dort etliche Tage und Nächte verbracht. Meist brachte mich meine Mutter hin, wenn sie meinen Vater auf eine Pressefahrt begleiten sollte. Pressefahrten - das hört sich bedeutend an. Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre wurde mein Vater öfter zu so etwas eingeladen.

Soviel ich mitbekam, handelte es sich dabei meist um irgendeine Bahn- oder Bustour, die eine auserwählte Schar von Journalisten und Fotografen zu einer zwei- oder dreitägigen Exkursion außerhalb Wiens führte. Die heimische Presse sollte sehen und berichten, dass und wie es wieder aufwärts ging. Um das zu demonstrieren, ließen sich weder die Vertreter der Landwirtschaft lumpen noch die der Industrie. Also gab es bei solchen Gelegenheiten nicht nur Besichtigungen von wiederaufgebauten oder neu errichteten Betriebshallen, in denen die Arbeiterinnen und Arbeiter an den unter der Neonbeleuchtung glänzenden Maschinen strahlten, als ob ihre Arbeit das reinste Vergnügen wäre, oder von modern und hygienisch ausgestatteten Ställen, in denen mein Papa die Kühe, die nunmehr mechanisch und nicht mehr händisch gemolken wurden, so fotografierte, dass sie tatsächlich zufrieden zu lächeln schienen, sondern meist auch ganz anständige Buffets und lustige Weinverkostungen.

Und warum sollte mein Vater meine Mama da nicht mitnehmen? Er war ja stolz auf seine hübsche Frau. Und sie wurde, scheint es, recht gern gesehen. Ich erinnere mich an Fotos, auf denen sie mit angeblich wichtigen Persönlichkeiten zu sehen war, meist etwas älteren Männern mit von Schweiß glitzernder Stirn, die ihre Nähe sichtlich erfreulich fanden, ihr irgendetwas erzählten, worüber sie sehr lachen musste, oder ihr, da sie meist ein Glas in der Hand hatten, launig zuprosteten.

Diese Pressefahrten sind also belegt - es gab sie wirklich. Aber ihre Häufigkeit war auffallend. Auf die Idee, dass sie manchmal nur ein Vorwand waren, kam ich allerdings erst etliche Jahre später. Womöglich, ja wahrscheinlich, wollten meine Eltern manchmal für zwei, drei Tage zu zweit sein.

Vielleicht haben sie sich ab und zu in einem kleinen Hotel in einem netten Vorort von Wien einquartiert. Bei aller Liebe zu mir - zu so etwas waren sie imstande. Als Erwachsener fand ich diese Vorstellung eigentlich lustig. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich sie, hätte ich sie damals, als Kind, schon gehabt, auch so lustig gefunden hätte.

Wie dem auch sei - in solchen Fällen musste der kleine Peter bei der Oma übernachten. Bei der anderen Oma. Die eine kam dafür weniger in Frage. Obwohl sie mir viel vertrauter war, weil sie mich jeden zweiten Tag zum Spazie

Peter Henisch, geboren 1943 in Wien, studierte Germanistik, Philosophie, Geschichte und Psychologie. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift "Wespennest", seit 1971 arbeitet er als freier Schriftsteller und lebt in Wien. 2005 erhielt er den den Niederösterreichischen Landeskulturpreis. Im Jahr 2014 wurde ihm für sein literarisches Gesamtwerk der Österreichische Kunstpreis für Literatur verliehen, im selben Jahr wurde er mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet.