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Das Heilige und das Nackte

Eine Kulturgeschichte | Markus Hofer

E-Book (EPUB)
2022 Tyrolia
192 Seiten
ISBN: 978-3-7022-4048-6

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Kurztext / Annotation
Das Spiel von Verhüllung und Enthüllung Je mehr Moral beim Sex desto mehr Erotik in der Kunst Heilig ist heilig - und nackt ist nackt. Doch der Versuch, Sexualität aus der Religion und dem religiösen Erleben zu verbannen, scheitert unweigerlich. Zu stark ist die Sexualität als sich Wege bahnende Kraft. Und dabei hat das Moralisieren noch nie viel genützt, sondern macht die Sache erst interessant! In seinem- durchaus auch humorvollen - Gang durch die Kulturgeschichte erläutert der Autor pointiert und doch fundiert die vielen Gesichter des immerwährenden lustvollen Spannungsverhältnisses zwischen diesen beiden, den Menschen so bestimmenden Bedürfnissen. Von der Venus von Willendorf arbeitet er sich über göttliche Kurtisanen und barbusige Ägypterinnen vor zu der idealisierten Nacktheit der Griechen. Von der Lustfeindlichkeit des Augustinus gelangt er ins gar nicht so finstere Mittelalter der stillenden Marien oder bis in die gar nicht so aufgeschlossene, von Syphilis, Hexenwahn, Reformation und Gegenreformation gepeinigte Neuzeit. Dabei zeigt er deutlich: Je rigider die Sexualmoral einer Gesellschaft, desto nackter werden die Heiligen in der katholischen Bilderwelt, umso mehr blitzt der Busen der büßenden Maria Magdalena oder posed leidend der entblößte Sebastian. Gab es das Goldene Zeitalter der Unschuld und ist Scham eine gesellschaftliche Erfindung? Welchen Zweck erfüllte Kleidung und war die Tempelprostitution nur ein Mythos? Wie war das mit den unbekleideten Männern des Michelangelo und wie mit der Ekstase der heiligen Theresa? Markus Hofer macht sich auf die Suche nach den nackten Wahrheiten biblischer Stoffe und stöbert in aristokratischen Privatgemächern lustvolle Werke der berühmtesten Künstler auf. Er zeigt, wie sehr die Kunst zur Versinnlichung des Glaubens beigetragen hat und wie die frühere Sehnsucht nach der Schönheit heute oft zum Geschäft mit Sexualität und Selbstdarstellung verkommen ist.

MARKUS HOFER, geb. 1957, Studium der Philosophie, Theologie, Germanistik und Kunstgeschichte, langjähriger Leiter des Männerbüros der Katholischen Kirche Vorarlberg, mehrere Publikationen u. a. 'Die zweite Halbzeit entscheidet. Strategien für Männer ab 40' (4. Aufl.), zuletzt 'Die Vierzehn Nothelfer. Das himmlische Versicherungspaket'. Seit 2014 ist er an der Fachstelle Glaubensästhetik in Feldkirch tätig und arbeitet an Konzepten, die Kirchenräume als Orte des Rückzugs und der Besinnung erlebbar machen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

UND SIE ERKANNTEN, DASS SIE NACKT WAREN

Lange dauerte für Adam und Eva die Freude am Paradies nicht, da kam schon die Herausforderung mit dem Baum der Erkenntnis, an der sie scheiterten. Die Schuld dafür schob man schön brav weiter: Adam auf Eva und Eva auf die Schlange. Die Folgen aber waren menschlich existentiell: "Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück." (Gen 3,19) Die paradiesischen Zeiten waren damit vorbei.

Die Geschichte vom Sündenfall (Gen 3) ist eine sehr komplexe, deren Alter und Entstehung durchaus umstritten sind. Teile dürften aus dem 7. Jahrhundert v. Chr., einzelne Verse auch jüngeren Datums sein. Im Kern ist es sogar möglich, dass noch ältere orientalische Mythen hineingespielt haben. In der Endfassung, wie sie uns vorliegt, ist sie eine Erklärungsgeschichte, die den gegenwärtigen Zustand des Lebens in der Welt begreiflich machen will, die Mühen des Lebensunterhalts, die Spannungen unter den Geschlechtern, Leid und Tod, letztlich all die weniger erfreulichen Dinge des Lebens, die Gott so nicht erschaffen hat. Es ist keine Erklärung im naturwissenschaftlichen Sinn, was schon der orientalischen Denkweise widersprechen würde, sondern vielmehr eine Erzählung, die sinnstiftend ist und existentielle Fragen des Menschseins vom Ursprung her deutet.

Warum schämen wir uns? Und war das immer schon so? Diese Fragen dürften sich die Menschen schon in Urzeiten gestellt haben, wobei es vor allem um die sexuelle Körperscham geht. In der Schöpfungsgeschichte wird das Zusammenleben von Adam und Eva im Paradies nicht ausführlich beschrieben, aber aus dem Nachfolgenden wird klar: Sie waren nackt und machten sich nichts daraus. Das Problem begann offensichtlich mit dem Verbot Gottes, von dem einen Baum in der Mitte des Paradieses zu essen. Die böse Verführerin in der biblischen Erzählung ist zwar die Schlange, aber das Thema selbst beginnt mit einem Verbot, das deshalb nicht eingehalten wird, weil es zu verführerisch ist. Was sich später quer durch die christliche Kunst zeigt, scheint in dieser Ursprungserzählung schon angelegt: Das Verbot bewirkt die Übertretung.

Adam und Eva essen von den verbotenen Früchten und sofort geschieht etwas Entscheidendes: "Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz." (Gen 3,7) In weiterer Folge fallen sie damit aus dem Paradies, anders gedeutet hieße es: Ab jetzt sind sie eigentlich Menschen. Auf dem Weg vom paradiesischen zum irdischen Menschsein steht demnach die Scham und so gesehen gehört das Feigenblatt zur Nacktheit wie der Mensch zur Erde.

Eine zusätzliche Pointe erhält die Stelle durch die Worte "sie erkannten", denn "erkennen" hat im Hebräischen mindestens zwei Bedeutungen. Einmal ist es das Erkennen beispielsweise von Gut und Böse, wie es in der Erzählung vom Sündenfall beschrieben wird. Gleichzeitig kann das Wort "erkennen" auch für den Vollzug des Geschlechtsaktes stehen. Ob damit bereits ein solcher Akt angedeutet ist, sei dahingestellt, aber eine sexuelle Note kommt mit ins Spiel. Im ersten Vers nach der Geschichte vom Sündenfall heißt es nämlich: "Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain." (Gen 4,1) Die Geschichte von Mann und Frau, die zuerst als Abbild Gottes erschaffen worden sind, beginnt gleichsam nochmals neu mit dem gemeinsamen Erkennen, mit der Nacktheit und dem schamhaften Feigenblatt - und sie beginnt mit dem Übertreten reizvoller Verbote.

Die Phantasie vom Goldenen Zeitalter

Das gemeinsame Zusammenleben zwischen Adam und Eva im Paradies wird in der Bibel nicht geschildert und das Alte Testament geht dieser Frage gar nicht weiter nach; das tut dann