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Ein Stück LebenOverlay E-Book Reader

Ein Stück Leben

Organtransplantation im Spannungsfeld zwischen Ethik, Recht und Medizin | Zoran Dobrić

E-Book (EPUB)
2021 Residenz Verlag
224 Seiten
ISBN: 978-3-7017-4660-6

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Kurztext / Annotation
Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Ärztin oder ein Arzt. Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie auf einer Intensivstation zwei 30-jährige Frauen hätten: eine mit schwersten Kopfverletzungen und ohne Überlebenschancen, die andere aber würde wegen ihres Herzfehlers sterben, wenn Sie ihr kein Spenderherz implantieren? Das ist nur eine von vielen Fragen, die unsere emotionalen und ethischen Kompetenzen übersteigen. Mediziner*innen, Ethiker*innen und Jurist*innen müssen sie beantworten, und das im Sinne des Lebens. Doch dürfen wir alles, was wir können? Zoran Dobri? hat Patient*innen, Mediziner*innen, Lebendspender*innen, Familienangehörige von Verstorbenen, Wissenschaftler*innen und Theolog*innen befragt. Er war bei allen wichtigen Prozessen der Organtransplantation, auch bei Hirntoddiagnoseerstellung und Organentnahme, dabei.

Zoran Dobri?, geboren 1960 in Smederevo (Jugoslawien), lebt in Wien. Seit 2006 für den ORF tätig, u. a. für die Sendungen Thema, Report, und seit 2016 im Ressort Religion und Wissenschaft . Dobri? erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Prälat-Leopold-Unger-Anerkennungspreis, den Robert-Hochner-Preis, den Prof.-Claus-Gatterer-Preis sowie den 'Journalistenpreis von unten' der österreichischen Armutskonferenz. Zuletzt erschienen: 'Ein Stück Leben' (2021).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

ORGANENTNAHME

Wie ist es überhaupt möglich, dass Ärzteteams vom Hirntod eines Patienten so schnell erfahren und daraufhin eine so aufwändige, vier bis fünf Stunden dauernde Operation in derart kurzer Zeit vorbereiten? Vor allem: Wie und wo finden die Ärzte die richtigen Patienten, die die entnommenen Organe erhalten? Für einen Laien wie mich ein nahezu unmögliches Unterfangen. Den Transplantationsteams steht aber dafür ein riesengroßes Sammelsurium an medizinischen, organisatorischen und Transportunternehmen zur Verfügung. Tausende von Menschen europaweit werden in kürzester Zeit mobilisiert und sind in der Lage, gemeinsam auf ein einziges Ziel, die Transplantation eines Organs, hinzuarbeiten.

Leiter der Transplantationsabteilung:

»Das ist immer ein Event, den wir nicht vorplanen können. Wir kriegen plötzlich ein Herz-Angebot. Da werden wir von Eurotransplant (gemeinsame Koordinationszentrale für acht EU-Länder, Anm.) kontaktiert. Unser Koordinator nimmt die Daten auf, kontaktiert dann mich, egal wo ich bin oder welche Uhrzeit es ist. Und ich muss anhand der Daten, die ich bekomme, über das Spenderorgan entscheiden: »Ja, es ist von der Qualität sehr gut, oder wir brauchen noch weitere Befunde.« Wenn ja, dann gebe ich grünes Licht, dass die Koordinatoren die Transplantation organisieren. Die müssen einen Operationssaal organisieren, ein Intensivbett, ein Team von Anästhesisten, ein Chirurgenteam, das die Transplantation und die Organentnahme auch durchführt. Mitunter müssen sich Rettung, Hubschrauber, Flugzeug, Spenderspital mit dem Organentnahmezentrum akkordieren, damit alle Teams ihre Aufgaben nach Zeitplan erledigen und diese Operation dort, die Organentnahme, sehr rasch über die Bühne geht. Dann muss alles zeitlich perfekt koordiniert sein, damit das Organ nicht so lange außerhalb des Körpers ist. Das klingt nach sehr viel und ist auch ein unglaublicher Aufwand an Organisation, aber unsere Koordinatoren sind sehr gut geschult und können so eine Transplantation innerhalb von eineinhalb Stunden komplett organisieren.«

Noch sieht der Operationssaal fast verlassen aus. In der Mitte steht der OP-Tisch, auf dem ein bewusstloser und an die Beatmungsmaschine angeschlossener Mann liegt. Die Anästhesistin blickt abwechselnd auf den Patienten und auf einen Bildschirm. Dabei kontrolliert sie, ob ihre Anästhesiedosierung für den Patienten und die bevorstehende Operation ausreichend ist. Dann werden der Kopf und die jeweils nach links und rechts ausgestreckten Arme des Patienten mit einem grünen Tuch abgedeckt. Zwei OP-Krankenschwestern desinfizieren, rasieren und desinfizieren seinen Brustkorb wieder und auch den Bauch. Vor knapp fünf Stunden wurde bei diesem Patienten der Hirntod diagnostiziert. In einem sechsstündigen Verfahren untersuchten ihn zwei Neurologen unabhängig voneinander und stellten fest, dass die Gesamtfunktionen seines Hirnstamms, Klein- und Großhirns unwiederbringlich erloschen waren. Weil der Hirnstamm für die Steuerung der essenziellen Lebensfunktionen des Menschen, u. a. die Atmung, zuständig ist, bedeutet sein irreversibler Ausfall den sehr baldigen Tod für den Betroffenen. Aufgrund des Sauerstoffmangels erstickt der Mensch, sein Herz kommt zum Stillstand und schon relativ rasch sind die Todeszeichen wie Leichenstarre, Totenflecken und Fäulnis an seinem Körper zu erkennen.

Mit dem äußeren Absterben des menschlichen Körpers läuft parallel auch ein baldiges und sukzessives Absterben seiner inneren Organe. Genau das müssen die Transplanteure verhindern, möchten sie die inneren Organe eines Hirntoten bei anderen Personen implantieren. Der hirntote Patient kann nicht selbstständig atmen, darum muss er durch eine Beatmungsmaschine mit Sauerstoff versorgt und sein Kreislauf künstlich aufrechterhalten werden. Obwohl sich der als hirntot diagnostizierte Mensch in ein