Buchhandlung Schachtner

Suche

Die Wahrheit über EvaOverlay E-Book Reader

Die Wahrheit über Eva

Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern | Carel van Schaik; Kai Michel

E-Book (EPUB)
2020 Rowohlt Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
704 Seiten
ISBN: 978-3-644-00327-9

Rezension verfassen

€ 12,99

in den Warenkorb
Kurztext / Annotation
Wer hat Angst vor der 'Evalution'? So klug und engagiert heute über Diskriminierung debattiert wird, fällt auf, dass eine der wichtigsten Fragen ausgeklammert wird: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Frauen um Gleichberechtigung kämpfen müssen? Zweitausend Jahre lang lieferte die Bibel die Antwort: Weil Eva eher der Schlange als Gott vertraute, müssen all ihre Nachfahrinnen den Männern untertan sein. Auch die Biologie schob lange den Frauen die Schuld zu: Sie seien nun mal das schwache Geschlecht. Kein Wunder, dass sich ein Eva-Tabu etablierte und die Evolution gemieden wird. Es könnte ja sein, dass etwas an der herrschenden Ungerechtigkeit «natürlich» wäre. Von wegen! Die Wahrheit über Eva, über die biblische wie die biologische, zeigt: Ohne die Frauen ist der Erfolg unserer Spezies nicht zu verstehen. Und ihre Unterdrückung war alles andere als Normalität. Die solidarische, wenn auch immer delikate Beziehung der Geschlechter ist unser evolutionäres Erfolgsgeheimnis. Carel van Schaik und Kai Michel nehmen in ihrem neuen Buch zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte in den Blick. Sie zeigen, wie sich die Beziehung von Frauen und Männern entwickelte und was sie massiv ins Ungleichgewicht brachte. Neue Einsichten aus Evolutionsbiologie und Genetik, Archäologie, Ethnologie und Religionswissenschaft erhellen den komplexen Prozess, der die Frauen ins Leid stürzte, aber auch den Männern alles andere als gut tat. Die Erfolgsautoren studieren das Verhalten unserer Primaten-Verwandtschaft, inspizieren phantastische Steinzeitheiligtümer und durchforsten die Bibel. Sie zeigen, warum Treue eine männliche Erfindung ist und wieso Sexualität verteufelt wurde. Sie enthüllen, was bis heute Ehe, Familie und die Sphären der Macht kontaminiert. Die Wahrheit über Eva kann helfen, die Misere der Geschlechter endlich zu beenden.

CAREL VAN SCHAIK, geboren 1953 in Rotterdam, ist Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe. Er erforscht die Wurzeln der menschlichen Kultur und Intelligenz bei Menschenaffen. Er war Professor an der Duke University in den USA und Professor für biologische Anthropologie an der Universität Zürich, wo er als Direktor dem Anthropologischen Institut und Museum vorstand. Carel van Schaik ist korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften und Fellow der Max-Planck-Gesellschaft. Er lebt in Zürich.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Warum das Eva-Tabu heute schadet

Mittlerweile jedoch bereitet das Eva-Tabu eine Reihe von Schwierigkeiten, die der Emanzipation nicht zuträglich sind. Wir sehen vor allem drei Mankos.

Manko eins: Der Kampf gegen Windmühlen

Einst als Reaktion auf patriarchale Biologie entstanden, hat das Eva-Tabu dazu geführt, dass nicht registriert wurde: Die Biologie und die benachbarten Wissenschaften haben sich emanzipiert! Niemand glaubt mehr an genetischen Determinismus menschlichen Verhaltens oder eine kontinuierliche Höherentwicklung in der Evolution, geschweige denn an «passive Weibchen». Massive Fortschritte wurden gemacht - und das ist eine feministische Erfolgsgeschichte. Sie verdankt sich in wesentlichen Teilen Frauen, welche die Wissenschaften von innen verändert haben. Schon in den 1970ern und 1980ern waren es Ethnologinnen wie Peggy Reeves Sanday, Kathleen Gough, Patricia Draper und Eleanor Leacock, die zeigten, dass das Patriarchat keinesfalls eine unvermeidliche Universalie sein konnte. Und dann waren da so wichtige wie engagierte Primatologinnen wie Barbara Smuts und Sarah Hrdy am Werk.

Um zu zeigen, was sie zu bieten haben, hier ein Zitat von Hrdy, aus ihrem zwar bekannten, aber eben doch viel zu wenig rezipiertem Buch: Mutter Natur. Die weibliche Seite der Evolution:

Arbeitende Mütter sind nichts Neues. Die meiste Zeit, seit es Menschen gibt, und schon Millionen Jahre zuvor haben Primatenmütter in ihrem Leben Produktion und Reproduktion miteinander verbunden. Diese Kombination aus Arbeit und Mutterschaft hat immer Kompromisse erfordert. Entweder nahmen Mütter energetische Kosten und einen Verlust an Effizienz in Kauf, wenn sie ihre Babys überallhin mitschleppten (wie es Pavian- und !Kung-Mütter tun), oder sie fanden eine Allomutter, die sich solange um das Kind kümmerte. Neu für moderne Mütter ist allerdings die deutliche Trennung von produktivem und reproduktivem Leben. Die Fabriken, Labors und Büros, in die sich die Frauen des postindustriellen Zeitalters begeben, um «Nahrung zu suchen», sind mit der Versorgung von Kindern noch weitaus weniger vereinbar als Wälder voller Jaguare und weit entfernte Gehölze mit Mongongonussbäumen, zu denen man nur nach Durchquerung einer Wüste gelangt.

Auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen wie Genetik, Archäologie und Geschichte haben Frauen - aber nicht nur - dafür gesorgt, dass der Männerfokus überwunden werden konnte. Zugleich hat der wissenschaftliche Fortschritt in den für diese Fragestellung wichtigen Bereichen Berge neuen, faszinierenden Wissens produziert. Sich dem zu verschließen, würde jede Menge Frauen vor den Kopf stoßen. Vor allem birgt es die Gefahr, sich dem Vorwurf der Ignoranz und Wissenschaftsskepsis auszusetzen. Was auffällt und auch schon von feministischer Seite kritisiert wurde: Das Wissen über Biologie und Evolution ist in nicht wenigen Kreisen auf dem Stand des letzten, manchmal sogar des vorletzten Jahrhunderts stehengeblieben. Tatsächlich arbeitet man sich häufig an längst überholten Klischees ab - und kämpft damit gegen Windmühlen, die man für Riesen hält. So macht man es Gegnern leicht, zu unterstellen, hinter der «feministischen Biophobie» verberge sich nur die Angst vor der Wahrheit.

Manko zwei: Der naturalistische Fehlschluss

Weil man im Dunkeln tappt, was nun hinter der real zu beobachtenden sozialen Ungleichheit steckt und man mit einem biologischen Wissen vorliebnehmen muss, das alles andere als up to date ist, kommt es zu einer unnötigen, teils vehement geführten Stellvertreter-Debatte: zum Streit um die Natur und Kultur der Geschlechtsunterschiede. Denn da noch immer unklar ist, was nun ursprünglich zur traditionellen Rollenverteilung führte, und deshalb der unausgesprochene Verdacht im Raum steht, die menschliche Biologie könnte doch irgendwie Schuld tragen,