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Der Trost der RacheOverlay E-Book Reader

Der Trost der Rache

Roman | Wilfried Steiner

E-Book (EPUB)
2017 Haymon Verlag
256 Seiten
ISBN: 978-3-7099-3814-0

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Kurztext / Annotation
Die Geschichte einer Vergeltung: atmosphärisch dicht, packend, bildgewaltig. Blick in den Kosmos: den Sternen so nahe Nacht für Nacht beobachtet Adrian durch sein kleines Fernrohr den Himmel und notiert akribisch den Stand der Jupitermonde. Mit seiner Frau Karin führt er in Wien ein beschauliches, wenig aufregendes Leben. Als Adrians Vater stirbt, löst sich die Erstarrung: Der Hobbyastronom möchte sich endlich seinen großen Lebenstraum erfüllen und auf der Kanarischen Insel La Palma das Gran Telescopio Canarias besichtigen. Als die beiden dort ankommen, erwarten sie Strände schwarzen Lavasands, der gewaltige Roque de los Muchachos, Blüten in allen erdenklichen Farben - und Sara. Düstere Schatten der Vergangenheit Sara ist Ornithologin und verweilt auf La Palma, um die endemischen Vogelarten der Insel zu erforschen. Die gebürtige Chilenin war schon in den 1970ern nach Deutschland gekommen. Während Karin sich die Zeit mit Surfstunden beim attraktiven Ricardo vertreibt, verfällt Adrian immer mehr dem geheimnisvollen Reiz von Sara. Je näher sie sich kommen, desto mehr tut sich ein düsterer Abgrund auf: Was hat die rätselhafte Frau auf La Palma wirklich vor? Und was hat ihre Vergangenheit in Chile damit zu tun? Packende Spannung vor der atemberaubenden Kulisse La Palmas Am sternenklaren Atlantikimmel tauchen finstere Ahnungen auf: Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Militärdiktatur in Chile unter Pinochet erzählt Wilfried Steiner die fesselnde Geschichte einer Vergeltung. Ein sogkräftiger Roman, klug und mit beklemmender Dramaturgie erzählt.

Wilfried Steiner, geboren 1960 in Linz, studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Seit 1977 publiziert er in verschiedenen Literaturzeitschriften und veröffentlichte mehrere Romane, u.?a. 'Der Weg nach Xanadu' (2003) und 'Bacons Finsternis' (2010). Im Linzer Posthof ist er seit 1999 künstlerischer Leiter der Bereiche Tanz, Theater, Kleinkunst und Literatur. Für sein literarisches Werk erhielt Wilfried Steiner zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2016 den Floriana Literaturpreis für einen Auszug aus seinem Roman 'Der Trost der Rache', der 2017 bei Haymon erscheint.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

EINS

Der schönste Dialog über die Unendlichkeit stammt von Hamlet und seinem Vater.

Nicht vom Dänenprinzen und dem Geist, sondern von Hägar dem Schrecklichen und seinem Sohn.

Sie stehen auf einem Feld, versunken in die Betrachtung des Firmaments.

"Kommst du nicht ins Staunen, Papa", fragt Hamlet, "wenn du all die Sterne am Himmel siehst?"

"Ja", sagt Hägar. "Sie sind so klein und so mickrig und wir sind so groß."

Karin hat mir den Strip einmal geschenkt, hinter Glas und hübsch gerahmt. Ich vermute, sie wollte damit andeuten, dass ihr meine Nächte auf dem Balkon langsam ein wenig barbarisch vorkamen. Vielleicht hegte sie aber auch heimliche Sympathien für mein Staunen über den Himmel und sah mich eher als kindlichen Hamlet mit winzigem Wikingerhelm, der seinem Vater zu erklären versucht, dass da draußen noch etwas ist. Etwas Erhabenes, Ehrfurcht Gebietendes, das seinen zu eng gezogenen Horizont übersteigt.

Mein Teleskop ist nicht sehr groß, und außer dem Orionnebel, den Mondkratern und den Umrissen der Andromedagalaxie kann ich nicht viel beobachten. Aber wenn ich einen beliebigen Ausschnitt des Himmels anvisiere, sehe ich das Funkeln von hunderten Glutnestern auf einem schwarzen Tuch, hin und wieder den aufgleißenden Schweif einer Sternschnuppe, und fühle mich auf unvernünftige Weise getröstet und den Niederungen des Alltags enthoben. Bis hierher bin ich in Karins Augen nur ein Eskapist. Verzeihlich: Wer flüchtet nicht gerne aus der Wirklichkeit, in der wir leben? Was sie irritiert, ist die Beharrlichkeit, mit der ich in jeder klaren Nacht den Stand der vier großen Jupitermonde in ein A3-Notizheft eintrage, selbst bei Februarfrost, unermüdlich und präzise: Jupiter ein kleiner runder Klecks, die Trabanten vier Punkte. Io, Europa, Ganymed und Kallisto: Bevor ich nicht aufgezeichnet habe, in welchem Abstand und Winkel zum Planeten sie stehen, Datum und Zeit hinzufüge, die Skizze mehrmals überprüfe und bei Fehlern von vorne beginne, bis alles seine Richtigkeit hat, kann ich nicht schlafen. Wenn der Stand des Jupiter die Beobachtung verhindert, was oft über Monate hinweg der Fall ist, werde ich unruhig. Als Therapeutin fallen Karin da schon böse Begriffe ein, analer Charakter ist noch einer der harmlosen. Doch immer, wenn sie sie verwendet, lächelt sie dabei milde.

Nun aber sitze ich hier an diesem ungastlichen Ort und überlege, ob es nicht angebrachter wäre, die Vergangenheitsform zu verwenden. Wer weiß, wann ich sie wiedersehen werde, Karin und mein Teleskop.

Mit zehn Jahren bekam ich mein erstes Buch über Astronomie geschenkt. Es hieß schlicht "Sterne", war ein kleines Taschenbuch mit unscharf gedruckten Fotos und verzerrten Himmelskarten und entfachte in mir die erste kosmische Begeisterung. Ich erfuhr, dass es Fixsterne, Planeten, Galaxien und Nebel gab, dass eine Zündholzschachtel voller Materie eines weißen Zwerges auf der Erde sieben Tonnen wiegen würde und dass der Umfang des roten Überriesen Beteigeuze größer war als die Umlaufbahn des Mars um die Sonne. Ein Freund meines Vaters, den ich damals Onkel Martin nannte, hatte mir das Päckchen überreicht, mit geheimnisumwobener Miene, als enthielte es Schatzkarten, die nur er und ich je zu Gesicht bekommen würden. Seit diesem Moment musste er jedes Mal, wenn er bei uns zu Gast war, mit mir eine halbe Stunde auf dem Balkon verbringen. Mit ausgestreckter Hand zeigte ich auf Lichtpunkte und nannte stolz Namen, Entfernungen, Farben und Spektralklassen. Er nickte stumm und klopfte mir auf die Schulter. Irgendwann besuchte er uns nicht mehr, und ich machte mir Vorwürfe. Erst später erfuhr ich, dass der Bruch meines Vaters mit Onkel Martin mehr mit meiner Mutter als mit mir zu tun gehabt hatte.

Aber die eigentliche Geschichte begann mit dem Tod meines Vaters vor fünf Monaten. Es ging alles sehr schnell. Eines Abends rief er an und fragte, ob er zu uns kommen könne

Wilfried Steiner, 1960 in Linz geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik in Salzburg. Seit 1999 ist er künstlerischer Leiter des Posthofs in Linz.